News zum Russland-Ukraine-Krieg: Das geschah in der Nacht zu Mittwoch (28. Dezember)
Auch zwischen den Feiertagen gehen die Kämpfe in der Ostukraine weiter. Russlands Außenminister attackiert die USA. Und: Moskau reagiert auf Ölpreisdeckel. Die wichtigsten Entwicklungen.
Das sagt Kiew
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seine jährliche Rede zur Lage der Nation vor dem Parlament, der Rada, angekündigt. »Ich möchte, dass diese Botschaft kein Bericht ist, sondern unser Dialog mit Ihnen über das kommende Jahr«, sagte der 44-Jährige am Dienstag in seiner täglichen Videoansprache. Es gehe darum, die Aufgaben für die Zukunft zu formulieren. Die Rede wird bis Ende der Woche erwartet, ein genaues Datum nannte Selenskyj nicht.
Der ukrainische Präsident berichtete zudem über sein Treffen mit dem Generalstab. Dabei sei die Lage im ostukrainischen Donbass und speziell um die Kleinstädte Kreminna und Bachmut besprochen worden, teilte er mit. Die Industriestadt Bachmut im Norden des Gebiets Donezk ist seit Monaten umkämpft. Vor Kreminna, einer Kleinstadt nördlich davon im Gebiet Luhansk, hat sich die Lage jüngst zugespitzt. Beide Seiten kämpfen dort um die Initiative.
Zudem berichtete Selenskyj über ein Gespräch mit Italiens Premierministerin Giorgia Meloni. Seinen Angaben nach prüft Rom derzeit die Lieferung von Flugabwehrsystemen für die Ukraine. »Ich glaube, dass die italienische Unterstützung es uns ermöglichen wird, die Verteidigung des ukrainischen Luftraums zu stärken«, sagte Selenskyj. Nach dem Sieg des Rechtsbündnisses in Italien im Herbst wurde darüber spekuliert, ob das Land seine Unterstützung für die Ukraine einstellen würde. Der Koalition gehört die Partei Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi an, der einer der engsten Verbündeten von Kremlchef Wladimir Putin im Westen war.
Im Streit um einen Verbleib der orthodoxen Kirche im weltbekannten Kiewer Höhlenkloster hat die ukrainische Führung die Kirche mit Nachdruck aufgefordert, sich von Moskau zu distanzieren. »Wenn ihr keine Beziehungen zu Russland habt, dann sagt Euch offiziell los, sagt, dass (Wladimir) Putin der Satan ist«, forderte der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats, Olexij Danilow, am Dienstag im Fernsehen von der ukrainisch-orthodoxen Kirche. Auch der Moskauer Patriarch Kirill sei ein Teufel, fügte Danilow hinzu. Bis Mai war die ukrainisch-orthodoxe Kirche dem Moskauer Patriarchat unterstellt.
Damals hatte sich die ukrainisch-orthodoxe Kirche offiziell von Moskau losgesagt und den von Kremlchef Putin befohlenen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verurteilt. Allerdings verdächtigen die ukrainischen Behörden die Kirche weiterhin der Kollaboration mit Moskau. Mehrfach wurden Räumlichkeiten der Organisation durchsucht.
Der Mietvertrag der Kirche für das Höhlenkloster in Kiew wurde zum Jahreswechsel gekündigt. Daraufhin wandte sich der Vorsteher des Höhlenklosters, Pawel Lebed, mit Kritik und der Bitte um Verbleib an Präsident Selenskyj.
Das sagt Moskau
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sieht die USA als Hauptschuldigen und zugleich größten Nutznießer des Ukraine-Konflikts. Strategisches Ziel der USA und ihrer Verbündeten in der Nato sei ein »Sieg über Russland auf dem Schlachtfeld«, um Russland zu schwächen oder gar zu vernichten, sagte Lawrow in einem Interview der russischen Staatsagentur Tass am Dienstag. Um dies zu erreichen, seien die Gegner Moskaus »zu Vielem bereit«.
»Der Hauptnutznießer in diesem brennenden Konflikt sind die USA, die daraus den maximalen Nutzen sowohl im wirtschaftlichen als auch militärisch-strategischen Bereich ziehen wollen«, sagte Lawrow. Daneben verfolge Washington noch ein weiteres geopolitisches Ziel – die Zerstörung der traditionellen Beziehungen Russlands zu Europa.
Wegen des russischen Angriffskriegs, der bisher Tausende von Menschenleben gefordert hat, verhängten die USA, die EU und eine Reihe westlicher Staaten harsche Sanktionen gegen Russland. Die Ukraine erhält zudem militärische Unterstützung in Form von Waffen und Munition aus dem Westen.
Aus Sicht des 72-Jährigen unternehmen die USA alles, um den Konflikt zu verschärfen. Kiew werde mit den modernsten Waffen versorgt, die noch nicht einmal an die westlichen Verbündeten der USA geliefert worden seien, behauptete Lawrow. Allein die in diesem Jahr geleistete militärische Unterstützung von 40 Milliarden Dollar übersteige den Verteidigungshaushalt mancher europäischer Staaten. Auf der anderen Seite versuche Kiew, »die Amerikaner und andere Nato-Mitglieder tiefer in den Strudel des Konflikts zu ziehen, in der Hoffnung, einen überstürzten Zusammenstoß mit der russischen Armee unvermeidlich zu machen«.
Zudem warf Lawrow den USA angebliche Pläne zur Tötung von Kremlchef Putin vor. »Ungenannte Beamte« aus dem Pentagon hätten mit einem »Enthauptungsschlag« gegen Russland gedroht. »Faktisch geht es um die Drohung der physischen Eliminierung des russischen Staatsoberhaupts«, behauptete der russische Chefdiplomat – ohne Belege anzuführen.
Humanitäre Lage
Die Bewohner Kiews müssen laut Stadtverwaltung bis zum Ende des Winters immer wieder mit plötzlichen Notabschaltungen des Stroms rechnen. »Unter diesen Gegebenheiten werden wir den ganzen Winter leben müssen«, sagte der Vizechef der Stadtverwaltung, Petro Panteljejew, am Dienstag im ukrainischen Fernsehen. Die Stromversorgung in Kiew ist wie in anderen ukrainischen Städten auch nach den russischen Raketenangriffen massiv beeinträchtigt.
Die Elektriker arbeiteten rund um die Uhr daran, das System wieder zu reparieren, doch die Lage bleibe schwierig, räumte Panteljejew ein. Gerade an Arbeitstagen, wo es einen erhöhten Stromverbrauch gebe, reichten die Kapazitäten nicht aus, warnte der Beamte.
Seit Oktober greift Russland die ukrainische Infrastruktur für die Energieversorgung immer wieder mit Raketen an. Die Gefahr weiterer Angriffe bleibe akut, warnte der ukrainische Generalstab am Dienstag in seinem Lagebericht.
Premierminister Denys Schmyhal hatte zuvor erklärt, dass die Ukraine die Silvesternacht ohne Notabschaltungen verbringen könne, wenn es keinen weiteren Beschuss gebe. Die Gefahr, dass das russische Militär erneut Objekte der Stromversorgung in der Ukraine ins Visier nehme, sei allerdings groß, räumte er ein.
Wirtschaftliche Konsequenzen
Russland reagiert auf den Ölpreisdeckel von EU, G7 und Australien für russisches Öl mit einem Verbot von Ölexporten in die betreffenden Länder. Staaten und Unternehmen, für die der als Reaktion auf die russische Offensive in der Ukraine beschlossene Ölpreisdeckel gilt, bekämen ab dem 1. Februar kein russisches Öl mehr, hieß es in einem am Dienstag von Präsident Wladimir Putin unterzeichneten Dekret. Die Anordnung gilt demnach bis zum 1. Juli.
»Die Lieferung von russischem Öl und russischen Ölprodukten an ausländische juristische Einheiten und andere Privatpersonen ist verboten, wenn die Verträge für diese Lieferungen direkt oder indirekt« den Preisdeckel anwenden, heißt es in dem Dekret. Nur Kremlchef Putin persönlich darf demnach entscheiden, das Verbot in Einzelfällen aufzuheben.
Die EU, die Gruppe der sieben führenden Industrienationen (G7) und Australien hatten einen Preisdeckel von 60 Dollar (56,52 Euro) für russisches Rohöl vereinbart, der seit Anfang Dezember gilt. Deutschland und seine Partner wollen damit die üppigen Einnahmen Moskaus aus dem Ölverkauf schmälern. Gleichzeitig soll sichergestellt werden, dass Russland weiter den Weltmarkt beliefert.
Der Preisdeckel wurde zusätzlich zu einem EU-Embargo für per Schiff transportiertes russisches Rohöl eingeführt. Dieser soll verhindern, dass Russland die Sanktionen umgeht und den Rohstoff zum gängigen Marktpreis an andere Länder verkauft.
Derzeit liegt der Preis für russisches Erdöl bei etwa 65 Dollar pro Barrel, also nur wenig über der Obergrenze des Ölpreisdeckels. Beobachtern zufolge wirkt sich die Maßnahme von EU, G7 und Australien daher zumindest kurzfristig nur geringfügig auf Russlands Öl-Einnahmen aus. Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj hatte den beteiligten Staaten bei der Einführung des Ölpreisdeckels gar eine "schwache Position" bescheinigt.