WM 2022: Kroatien gewinnt Spiel um Platz drei gegen Marokko
Das Spiel um Platz drei war ein würdiger Abschied von zwei Überraschungsteams – aber wohl nicht von Kroatiens Luka Modrić. Marokko legte sich mit dem Schiedsrichter an, ein Bundesliga-Star musste unter Tränen vom Platz.
Ist das das Ende? Sie gelten als »Goldene Generation« ihres Landes – nach Silber 2018 bekam die kroatische Mannschaft diesmal die Bronzemedaille umgehangen, dank zweier herrlicher Treffer gegen Außenseiter Marokko. Im Anschluss so oft im Fokus der Kameras: Superstar LukaModrić, noch immer Herzstück und Führungsfigur des kroatischen Mittelfelds. Modrić ist 37 Jahre alt, es dürfte seine letzte Weltmeisterschaft gewesen sein. Ob der Superstar nun ganz Schluss macht? Kroatiens Co-Trainer Ivica Olić hatte dazu nach Spielende eine klare Meinung: »Nein, das glaube ich nicht.« Modrić selbst will mindestens 2023 noch für sein Land auflaufen, auch das nächste Großturnier mag er nicht ausschließen: »Ich möchte aber mindestens noch die Nations League spielen. Danach werde ich über die Euro nachdenken.«
Das Ergebnis: 2:1 (2:1) gewinnt Kroatien das Spiel um Platz drei gegen Marokko. Für die Nordafrikaner bleibt das Turnier ein historischer Erfolg, Vizeweltmeister Kroatien hält sich zumindest weitere vier Jahre auf dem Podium der weltbesten Fußballnationen. Hier geht es zum Spielbericht.
Man sieht sich immer zweimal: Etwas mehr als drei Wochen ist es her, da traf die kroatische Nationalmannschaft schon einmal auf Marokko. Wenig deutete beim 0:0 zum WM-Auftakt darauf hin, dass sich hier bereits zwei der vier erfolgreichsten Teams des Turniers gegenüberstehen sollten. Doch wer gemeinsam Belgien, Brasilien, Spanien und Portugal nach Hause schickt, der steht zumindest im kleinen Finale zurecht – und hat die Chance, im fast schon traditionell torreichen Bronzespiel noch einmal zu zeigen, dass Elfmeterschießen und Defensivstärke nicht die einzigen Tugenden des kroatischen und marokkanischen Fußballs sind.
Alles auf Angriff: Kroatiens Nationaltrainer Zlatko Dalić nahm die Herausforderung an, indem er die Anzahl an Defensivspielern auf dem Platz deutlich reduzierte: Da fand sich der eigentliche Außenstürmer Ivan Perišić auf der linken Abwehrseite wieder, Abräumer Marcelo Brozović nahm zugunsten des zusätzlichen Stürmers Marko Livaja auf der Bank Platz. Sein marokkanischer Gegenpart Walid Regragui tat es Dalić gleich, besetzte das zentrale Mittelfeld offensivstark. Vor allem aber verzichtete Regragui notgedrungen auf drei Viertel seiner Viererkette: Romain Saïss und Nayef Aguerd hatten sich zum Halbfinale gegen Frankreich zunächst fit gemeldet und dann früh gemerkt, dass der Wunsch dabei Vater des Gedankens gewesen war. Ebenso wie Bayern-Profi Nouassir Mazraoui blieb das Innenverteidiger-Duo angeschlagen draußen.
Doppelter Doppelkopf: Mit entsprechend weit geöffneten Visieren stürmten die Teams dann auch in die Partie. Von kroatischem Ballgeschiebe oder marokkanischem Mauern war wenig zu sehen. Schon nach zehn Minuten hatten beide Mannschaften je einmal getroffen: Kroatien, weil Perišić einen Freistoß Lovro Majers geistesgegenwärtig quer köpfte. Dort rauschte Joško Gvardiol heran und wuchtete den Ball ebenfalls per Kopf ins Netz. Marokko konterte eine Minute später weniger ästhetisch, aber ebenso effektiv: Majers Versuch, einen Freistoß aus der Gefahrenzone zu köpfen, landete dem aufgerückten Achraf Dari auf der Stirn. Der bugsierte den Ball an Dominik Livaković vorbei – und schrie seine Freude in den Abendhimmel.
Ein bisschen Spaß muss sein: Der sportliche Wert gering, die Partie ob des vollen Terminkalenders ohnehin überflüssig: Das Spiel um Platz drei ist bei der Fußball-Weltmeisterschaft eine Institution, auf die nur selten (1930 und 1950) verzichtet, aber gerne geschimpft wird. Allerdings ist es auch das einzige WM-Spiel, in das beide Teams in Gänze unverkrampft gehen, nirgends sonst ist die Fallhöhe von der größten aller Bühnen so gering. Spätestens mit dem Schlenzer von Mislav Oršić, der sich herrlich über Marokkos Yassine Bounou hinweg senkte (42. Minute), fühlte sich das Chalifa-International-Stadion ausnahmsweise wie ein Bolzplatz an, auf dem die Freude am Spiel über der Vorsicht steht und selbst Teams, deren Markenkern ein anderer ist, sich ans Spektakel herantrauen.
Geschenk oder Strafe? Ein anderer Protagonist des vorletzten WM-Spiels hatte die Spielleitung inne: Der Katarer Abdulrahman Al-Jassim pfiff erst seine zweite Partie bei diesem Turnier, die erste Begegnung war ein 1:1 zwischen den USA und Wales in der Gruppenphase. Womöglich wollte man den besten Referee des Gastgeberlandes noch einmal dort belohnen, wo der Druck gering sein würde. Leicht hatte es Al-Jassim aber keineswegs, was vor allem an den Marokkanern lag: Die erste Rudelbildung um sich musste Al-Jassim schon nach einer halben Stunde wegen eines zurecht nicht gegebenen Eckballs abmoderieren, nach einem verwehrten Strafstoß warf sich Marokkos Achraf Hakimi später theatralisch vor Al-Jassim auf den Boden. Der Unparteiische aber ließ sich nicht verrückt machen, auch strittige Entscheidungen blieben zumindest seiner großzügigen Linie treu.
Sorgen für Sinsheim: Ebenfalls zu Boden ging Kroatiens Andrej Kramarić. Grund dafür war keine Schiedsrichterentscheidung, sondern offenbar eine Verletzung. Unter Tränen verließ der Stürmer der TSG Hoffenheim den Platz. Im Kraichgau wird man hoffen, dass Kramarić lediglich von der Enttäuschung über sein verfrühtes WM-Aus überwältigt war und in der Bundesliga nicht länger fehlt.