News zum Russland-Ukraine-Krieg: Das geschah in der Nacht zu Freitag (28. Oktober)
Tschetschenenführer Ramsan Kadyrow bestätigt viele Todesopfer in seinen Einheiten. Kiew vergleicht das russische Vorgehen mit der Nazizeit. Und: IAEA-Mission in der Ukraine wird konkreter. Das geschah in der Nacht.
Was in den vergangenen Stunden geschah
In einem ungewöhnlichen Schritt hat der berüchtigte Tschetschenenführer Ramsan Kadyrow eingeräumt, dass 23 Soldaten seiner Einheiten bei einem ukrainischen Angriff im von Russland besetzten Gebiet Cherson getötet wurden. 58 Kämpfer wurde seinen Angaben zufolge verletzt. Üblicherweise halten sich die prorussischen Einheiten mit konkreten Angaben zu Verlusten sehr zurück.
»Ja, unsere Verluste in den Morgenstunden dieses Tages waren groß«, schrieb Kadyrow bei Telegram unter anderem. Danach folgten Durchhalteparolen des Anführers, der als Vertrauter des russischen Präsidenten gilt. Wegen des brutalen und rücksichtlosen Vorgehens seiner Einheiten hat Kadyrow auch den wenig schmeichelhaften Spitznamen »Putins Bluthund« erhalten.
Das sagt Kiew
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Kampf seines Landes gegen Russland mit dem Widerstand gegen die Nazis im Zweiten Weltkrieg verglichen. »Die Form des Bösen hat sich gewandelt, aber das Wesen ist unverändert«, sagte Selenskyj in einer in der Nacht zum Freitag in Kiew verbreiteten Videobotschaft. Russland sei vom Nachbarn zum Aggressor und zum Terroristen geworden – und habe sich Kriegsverbrechen schuldig gemacht.
Neben einer abgeschossenen Kampfdrohne stehend sagte Selenskyj, es würden immer wieder friedliche Städte mit Bomben und Raketen beschossen. Allein innerhalb der vergangenen zwei Tage habe es 30 russische Angriffe mit iranischen Drohnen gegeben, von den 23 abgeschossen worden seien. Russland vermine oder besetze Kraftwerke, stehle Getreide, um den Planeten mit Hunger zu bedrohen. Es verschleppe Menschen, darunter Kinder.
Mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg und den Kampf der Ukrainer gegen die Nazis sagte Selenskyj, dass sich das »Böse nach 80 Jahren wieder aus der Asche« erhoben habe. Er beklagte, dass der Aggressor Russland seit Beginn des Krieges am 24. Februar 4500 Raketen auf die Ukraine abgeschossen und insgesamt 8000 Luftangriffe geflogen habe.
Selenskyj betonte, dass der ukrainische Widerstand stark sei. Das Land werde sich nicht brechen lassen: »Die Nationalhymne des Feindes in unserem Land zu hören, macht uns mehr Angst als die Raketen des Feindes an unserem Himmel. Wir haben keine Angst vor der Dunkelheit.«
Der Staatschef zeigte sich zuversichtlich, dass der Eindringling kapitulieren und in die Flucht geschlagen werde. Russland werde auch Reparationen zahlen; und die besetzten Gebiete Cherson, Luhansk, Donezk und die Schwarzmeer-Halbinsel Krim würden wieder frei sein.
Das sagt Moskau
Der russische Präsident Wladimir Putin hat den Westen vor einer weiteren Zuspitzung der Lage in der Ukraine gewarnt. Der Westen spiele ein »gefährliches, blutiges und schmutziges« Spiel, sagte Putin am Donnerstag bei einem fast vierstündigen Auftritt bei einer Diskussionsveranstaltung in Moskau. »Wir stehen an einer historischen Schwelle: Vor uns liegt das wahrscheinlich gefährlichste, unberechenbarste und zugleich wichtigste Jahrzehnt seit Ende des Zweiten Weltkriegs.«
Früher oder später werde der Westen mit Russland aber über eine gemeinsame Zukunft sprechen müssen. Russland sei bereit zum Dialog mit der Ukraine zur Beendigung des Konflikts, Kiew wolle aber nicht an den Verhandlungstisch. Dabei könnte das Problem einfach gelöst werden, sagte Putin: die USA müssten die Ukraine zu Friedensgesprächen drängen.
Die jüngsten Entwicklungen seien unvermeidlich gewesen, so Putin. Er denke zwar ständig auch an die Verluste, die Russland in der Ukraine erlitten habe. Aber Russland habe seine Souveränität gestärkt und die Wirtschaft habe sich besser als gedacht gehalten. Es gebe nichts in diesem Jahr, worauf er mit Enttäuschung zurückblicke.
Ein Sprecher der US–Regierung erklärte, die Ausführungen Putins erhielten wenig Neues und deuteten nicht darauf hin, dass das Land seine strategischen Ziele verändert habe.
Internationale Reaktionen
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) will nach den Vorwürfen Russlands, Kiew plane im Krieg den Einsatz einer »schmutzigen« Bombe, noch in dieser Woche einer Beobachtermission in die Ukraine entsenden. Das sagte IAEA-Chef Rafael Grossi. Experten der Organisation würden in dieser Woche an zwei Standorten in der Ukraine Nachprüfungen durchführen, nachdem die ukrainische Regierung schriftlich um die Entsendung von Inspektorenteams gebeten habe. Der russische Präsident Putin hatte sich ebenfalls für die schnelle Entsendung einer IAEA-Beobachtermission in die Ukraine ausgesprochen.
Ziel der Kontrollbesuche in dieser Woche ist es der IAEA zufolge, mögliche nicht deklarierte atomare Aktivitäten und Materialien im Zusammenhang mit der Entwicklung »schmutziger Bomben« aufzuspüren. Einer der beiden Standorte sei vor einem Monat inspiziert worden, wobei keine nicht-deklarierten atomaren Aktivitäten oder Materialien entdeckt worden seien. Grossi sagte, die IAEA-Inspektoren würden eine unabhängige Überprüfung an diesen Standorten durchführen, um jede Abzweigung von Kernmaterial, das der Sicherungsüberwachung unterliege, jede nicht deklarierte Produktion oder Verarbeitung von Kernmaterial aufzudecken.
Was heute passiert
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Angesichts der Herausforderungen im Zuge des russischen Kriegs gegen die Ukraine will sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an die Deutschen wenden. Bei einer Veranstaltung mit der Deutschen Nationalstiftung in Berlin (11.00 Uhr) will er mit einer Rede den Zusammenhalt der deutschen Gesellschaft beschwören – trotz der Belastungen durch hohe Energiepreise, Inflation, politische Polarisierung und Proteste. Die Rede in seinem Amtssitz Schloss Bellevue steht unter dem Motto »Alles stärken, was uns verbindet«.