News zum Russland-Ukraine-Krieg: Das geschah in der Nacht zu Mittwoch (26. Oktober)
Ukrainische Artillerie hat offenbar bei Cherson Einheiten aus Tschetschenien getroffen – mit vielen Opfern. Kiew lobt deutsche Raketensysteme. Und: Zara-Mutter verkauft Russlandgeschäft. Das geschah in der Nacht.
Was in den vergangenen Stunden geschah
Im von Russland besetzten Gebiet Cherson sind nach ukrainischen Angaben mehr als 100 Soldaten aus der russischen Teilrepublik Tschetschenien von der Artillerie getroffen worden. »Durch präzise Artillerieschläge der Verteidigungskräfte sind in der Ortschaft Kajiry im Gebiet Cherson 30 Okkupanten vernichtet worden und mehr als 100 feindliche Soldaten unter den Trümmern geblieben«, teilte der ukrainische Generalstab in seinem abendlichen Lagebericht mit. Mehreren übereinstimmenden Berichten zufolge sollen Soldaten von Tschetschenenführer Ramsan Kadyrow getroffen worden sein. Unabhängig konnten die Angaben nicht überprüft werden.
So erklärte der ukrainische Militärgouverneur der Region Cherson, Serhij Chlan, dass die tschetschenische Einheit nach ihrem Abzug aus der Stadt Cherson über den Fluss Dnipro in der Schule einer Ortschaft am anderen Flussufer stationiert worden sei. Die Männer hätten ihren Aufenthaltsort durch Fotos in sozialen Netzwerken selbst verraten. »Unsere Streitkräfte mussten nur noch draufhalten«, sagte Chlan. Er berichtete von mehr als 40 Toten und 60 Verschütteten.
Der berüchtigte Machthaber Kadyrow äußerte sich nicht zu dem Vorfall selbst.
Das sagt Kiew
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Deutschland für seine Hilfe gedankt. »Wir werden die Zusammenarbeit mit Deutschland verstärken«, sagte der 44-Jährige am Dienstag in seiner täglichen Videoansprache. Selenskyj ging darin stark auf den Besuch von Bundespräsident Frank–Walter Steinmeier in der Ukraine ein.
Der Bundespräsident habe während seiner Visite Unterschlupf im Luftschutzbunker suchen müssen und dabei unmittelbar die Bedeutung einer funktionierenden Luftabwehr erfahren. Das deutsche Luftabwehrsystem Iris-T sei hocheffizient, so Selenskyj. Er dankte Steinmeier zudem dafür, dass er die Schirmherrschaft über Städtepartnerschaften zwischen Deutschland und der Ukraine übernommen habe. Bundeskanzler Olaf Scholz und EU-Ratspräsidentin Ursula von der Leyen lobte er für die Ukraine-Hilfskonferenz in Berlin.
Einen Appell richtete Selenskyj derweil an die israelische Führung, die zwar den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verurteilt hat. Aus eigenen Sicherheitsinteressen beteiligt sie sich aber weder an den Sanktionen gegen Moskau, noch liefert sie Kiew Waffen. »Je früher dank des ukrainischen Siegs Frieden in unserem Land erreicht wird, desto weniger Böses wird Russland in andere Regionen bringen können, den Nahen Osten, wo es mit dem Iran paktiert, eingeschlossen.«
Zum Abschluss erwähnte er kurz ein Telefonat mit Großbritanniens neuem Regierungschef Rishi Sunak. »Ich habe den Premierminister eingeladen, die Ukraine zu besuchen«, sagte Selenskyj. Großbritannien gilt als einer der engsten militärischen Verbündeten der Ukraine, Sunaks Vor-Vorgänger Boris Johnson war mehrfach in Kiew gewesen.
Das sagt Moskau
Der Uno-Sicherheitsrat hat am Dienstag auf einer nicht öffentlichen Sitzung über die wiederholten russischen Anschuldigungen beraten, die Ukraine plane den Einsatz einer »schmutzigen Bombe«. Russland sagte, es »bezweifle«, dass Inspektionen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) beweisen könnten, dass dies nicht der Fall sei. Die Sitzung fand auf Initiative Russlands statt. Kiew und seine westlichen Verbündeten wiesen die Anschuldigungen erneut nachdrücklich zurück.
»Wir haben bei diesem privaten Treffen weder neue Beweise gesehen noch gehört«, sagte der stellvertretende britische Uno-Botschafter James Kariuki nach der Sitzung und verurteilte die »Desinformation« Russlands. Die Ukraine habe »nichts zu verbergen«, Inspektoren der IAEA seien auf dem Weg, fügte er hinzu.
Der stellvertretende russische Uno-Botschafter Dmitri Poljanskij bekräftigte nach der Sitzung indes den russischen Vorwurf, dass die Verwendung einer »schmutzigen Bombe« eine »sehr ernste Gefahr« sei, »eine ernsthafte Bedrohung«. Die Ukraine habe »die Fähigkeiten« und »die Gründe dafür, weil das Regime von (Wolodymyr) Selenskyj eine Niederlage vermeiden und die Nato in eine direkte Konfrontation mit Russland verwickeln« wolle, sagte er.
Humanitäre Lage
Ein Moskauer Gebietsgericht hat die Berufung der zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilten US–Basketballerin Brittney Griner zurückgewiesen. Das Gericht lehnte der Nachrichtenagentur Interfax zufolge am Dienstag eine Verkürzung der Haftstrafe ab. Nach einer Neuberechnung der Untersuchungshaft, die auf die Strafe angerechnet wird, muss Griner noch etwa rund acht Jahre in Haft bleiben.
Das Urteil sei damit rechtskräftig, hieß es weiter. Griner könne in naher Zukunft in eine Justizvollzugsanstalt überstellt werden, wo sie ihre Strafe verbüßen müsse.
Internationale Reaktionen
Der israelische Präsident Isaac Herzog hat nach eigenen Angaben den USA Geheimdienstinformationen zur Verfügung gestellt, die den Einsatz durch Russland gesteuerter iranischer Drohnen im Ukrainekrieg belegen sollen. US-Außenminister Antony Blinken sagte, die Lieferung von Drohnen durch Iran an Russland habe in der Ukraine »grauenhafte Folgen«.
Herzog sagte, die internationale Gemeinschaft müsse »ihre Lektionen lernen« und mit Iran in »harter, einiger und kompromissloser Sprache« sprechen. Laut dem israelischen Präsidentenbüro teilte Herzog mit den USA Bilder, die Ähnlichkeiten zwischen in der Ukraine abgeschossenen Drohnen und in Iran im Dezember 2021 getesteten und 2014 bei einer Ausstellung präsentierten Bestandteilen aufwiesen.
Am Montag hatte bereits der ukrainische Präsident Selenskyj auf einer von der israelischen Zeitung »Haaretz« organisierten Konferenz von »rund 2000« Drohnen vom Typ Schahed gesprochen, die Moskau von Teheran bestellt habe. Selenskyj warf der israelischen Regierung zudem vor, mit ihrer neutralen Haltung eine »Allianz« zwischen Russland und dem Iran zu begünstigen.
Nato–Generalsekretär Jens Stoltenberg hat von Bord eines US-amerikanischen Flugzeugträgers aus Warnungen an den russischen Präsidenten Wladimir Putin erneuert. »Russland darf keine falschen Vorwände für eine weitere Eskalation verwenden«, sagte der Norweger am Dienstag bei einem Besuch auf der derzeit im Mittelmeer eingesetzten »USS George H.W. Bush«. Die Behauptungen, dass die Ukraine auf eigenem Gebiet die Zündung einer »schmutzigen Bombe« mit radioaktivem Material plane, seien glasklar falsch.
Russland werfe anderen oft Dinge vor, die es selbst beabsichtige zu tun, ergänzte Stoltenberg. Die Welt verfolge die Entwicklungen aufmerksam. Moskau hatte zuvor behauptet, die Ukraine plane zur Diskreditierung Russlands, eine radioaktive Bombe zu zünden.
Nach Einschätzung des Leiters der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, will Putin mit seinen Atomdrohungen im Ukrainekrieg vor allem Einfluss auf Deutschland ausüben. »Mit der Atomwaffen-Drohung zielt er in erster Linie auf Deutschland«, sagte Heusgen den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Putin versuche, mit dieser Drohung Ängste zu schüren und die Unterstützung für die Ukraine zu schwächen: »Wir sind zurück in der Logik des Kalten Krieges.«
Die Amerikaner hätten Moskau klar zu verstehen gegeben, dass der Einsatz von Atomwaffen katastrophale Konsequenzen für Russland hätte, sagte Heusgen. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es selbstmörderische russische Generäle gibt, die eine solche Anordnung umsetzen würden.« Außerdem wolle sich der Kremlchef nicht in eine weltweite Isolation begeben. Auch China könne den Einsatz von Atomwaffen nicht durchgehen lassen.
Der Kreml hat in Verbindung mit dem Angriffskrieg in der Ukraine wiederholt indirekt auch mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. Putin hatte etwa angekündigt, zum Schutz Russlands alle zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen. Russland hatte zuvor ukrainisches Territorium annektiert. Beobachter sahen darin eine Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen.
Wirtschaftliche Konsequenzen
Der Zara–Mutterkonzern Inditex verkauft sein gesamtes Russlandgeschäft. Inditex habe eine »erste Einigung« mit der Daher-Gruppe erzielt, teilte der spanische Textilkonzern mit. Die Daher-Gruppe hat ihren Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten und ist vor allem im Einzelhandel und in der Immobilienbranche tätig. Die Transaktion werde den »Erhalt einer beträchtlichen Anzahl von Arbeitsplätzen ermöglichen«. Voraussetzung sei die Zustimmung der Regierung.
Eine Rückkehr auf den russischen Markt unter »neuen Umständen« sei möglich, da Inditex mit der Daher-Gruppe »die Option einer potenziellen Zusammenarbeit durch eine Franchisevereinbarung« beschlossen habe, hieß es in der Mitteilung weiter. Der Konzern hatte im März nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine bereits alle 502 Inditex-Geschäfte in Russland geschlossen.