News zum Russland-Ukraine-Krieg: Das geschah in der Nacht zu Freitag (21. Oktober)
Der ukrainische Präsident warnt vor einer Sprengung in einem Wasserkraftwerk. USA verurteilen Umsiedlungen durch Russland. Und: Führung in Kiew befürchtet lange Energieengpässe. Das geschah in der Nacht.
Das sagt Kiew
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland vorgeworfen, einen Staudamm in der südukrainischen Region Cherson vermint zu haben. »Unseren Informationen zufolge wurden die Aggregate und der Damm des Wasserkraftwerks Kachowka von russischen Terroristen vermint«, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft am Donnerstagabend.
Im Falle einer Zerstörung des Staudamms würde »der Nord-Krim-Kanal einfach verschwinden«, warnte der ukrainische Staatschef. Dies wäre »eine Katastrophe großen Ausmaßes«. Der Staudamm des Wasserkraftwerks Kachowka liegt am Fluss Dnipro in der Region Cherson, die derzeit von russischen Truppen kontrolliert wird.
Selenskyj dankte zudem Deutschland für seine Hilfe. »Heute hatte ich ein produktives Telefonat mit dem Bundespräsidenten«, sagte er. Er habe Frank-Walter Steinmeier »und dem deutschen Volk für die Unterstützung der Ukraine im Freiheitskampf und für die Entscheidung gedankt, unserem Land konkrete Hilfe zu leisten«. Deutschland habe der Ukraine als erstes Land das moderne Luftverteidigungssystem Iris-T geliefert. »Wir erwarten die Lieferung weiterer solcher Systeme sowohl aus Deutschland als auch von unseren anderen Partnern.«
Die Ukraine habe am Donnerstag erneut russische Raketen und iranische Kamikazedrohnen abgefangen. »Leider schießen wir noch nicht alle ab. Es gibt auch Treffer, es gibt Zerstörung«, sagte Selenskyj. »Aber wir werden alles tun, um unseren Luftraum vollständig zu schützen.«
Die Lage an der Front bleibe schwierig, sagte der ukrainische Präsident. Dies betreffe besonders den Donbass im Osten und einige Gegenden im Süden. »Aber wir behaupten uns. Wir verteidigen unser Land. Wir bewegen uns allmählich vorwärts und verdrängen den Feind«, sagte Selenskyj. Die Ukraine werde in diesem Krieg siegen: »Terroristen verlieren immer. Freiheit gewinnt immer.«
In einer Videoansprache beim EU-Gipfel in Brüssel hatte Selenskyj Russland zuvor vorgeworfen, die Energie-Infrastruktur seines Landes zu einem »Schlachtfeld« gemacht zu haben. Moskau verfolge damit die Absicht, der Ukraine im Herbst und Winter Strom- und Heizprobleme zu bescheren.
Russland will Selenskyj zufolge außerdem eine Massenauswanderung seiner Landsleute in die EU auslösen. »Russland provoziert eine neue Welle der Migration von Ukrainern in die Länder der Europäischen Union«, sagte er beim EU-Gipfel.
Humanitäre Lage
Die Ukraine schließt längerfristige Energieprobleme nach den massiven russischen Luftangriffen auf Kraftwerke und andere Infrastruktur nicht aus. »Wir können durchaus vor einer Situation stehen, in der wir Wochen oder sogar Monate ohne Wasser, ohne Licht und Wärme oder mit großen Einschränkungen sitzen werden«, sagte der Berater im Präsidialamt in Kiew, Olexij Arestowytsch. Er sei aber sicher, dass die Ukrainer die Probleme bewältigen würden.
Das ukrainische Versorgungsunternehmen Ukrenergo rief erneut mit Nachdruck zum Energiesparen auf. Die Reduzierung am Donnerstag habe nicht genügt, weshalb das Unternehmen zu Stromabschaltungen gezwungen gewesen sei, sagte ein Sprecher.
Die Abschaltungen seien nötig gewesen, um das Stromnetz zu stabilisieren. Die Lage werde sich in den nächsten Wochen bessern. »Vorausgesetzt, es gibt keine neuen Raketenangriffe. Aber wir bereiten uns auf alle möglichen Szenarien vor«, betonte der Sprecher.
In Kiew rief Gebietsgouverneur Olexij Kuleba die Bewohner der Hauptstadt auch für Freitag zum Stromsparen auf. Insbesondere am Vormittag sollten keine energieintensiven Geräte wie Heizungen und Waschmaschinen eingeschaltet werden, sagte Kuleba. »Jedes eingesparte Kilowatt ist eine Hilfe für unser Stromnetz.«
Waffenlieferungen an die Ukraine
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Jair Lapid Kiews Anfrage nach Luft– und Raketenabwehrsystemen besprochen. »Ich habe ihn über das unsägliche Leid, den Verlust von Menschenleben und die Zerstörung durch russische Raketen und iranische Drohnen informiert«, twitterte Kuleba. Dem Büro des israelischen Regierungschefs zufolge habe Lapid die Unterstützung Israels für die Ukraine bekräftigt und seine »tiefe Besorgnis« über die militärische Verbindung zwischen Iran und Russland zum Ausdruck gebracht.
Israel hatte seine Unterstützung bisher auf humanitäre Hilfe beschränkt, weil es mit Russland weiterhin an einer Zusammenarbeit in Bezug auf das Nachbarland Syrien interessiert ist. Vor kurzem bot das Land der Ukraine jedoch an, bei der Entwicklung von Luftangriff-Warnsystemen für Zivilisten zu helfen.
Internationale Reaktionen
Die US–Regierung hat die Umsiedlungen im südukrainischen Gebiet Cherson durch die russische Besatzungsmacht kritisiert. »Es überrascht uns nicht, dass die Russen mit solch plumpen Taktiken versuchen, Kontrolle über eine Bevölkerung auszuüben, die Putin und seinen Krieg eindeutig ablehnt«, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses. Die Umsiedlungen seien ein weiteres Beispiel der Grausamkeit und Brutalität der Besatzer.
Russische Besatzer im Gebiet Cherson haben nach eigenen Angaben bereits mehrere tausend Zivilisten auf von Russland kontrolliertes Territorium gebracht. Die Ukraine sprach von Deportationen. Die russische Armee befürchtet einen großen Angriff des ukrainischen Militärs, um die Stadt Cherson und das Gebiet auf dem nördlichen Ufer des Flusses Dnipro zu befreien. Deshalb sollen Zivilisten von dort weggebracht werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz warf Russland eine »Taktik der verbrannten Erde« vor. Aber auch damit werde Moskau nicht den Krieg gewinnen, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verschob kurzfristig einen für Donnerstag geplanten Besuch in Kiew. Grund waren nach dpa-Informationen Sicherheitsbedenken.
US–Präsident Joe Biden hat sich besorgt über die weitere militärische Unterstützung der Ukraine im Fall eines Sieges der Republikaner bei den Parlamentswahlen im November gezeigt. Er sei besorgt darüber, weil die Republikaner gesagt hätten, dass sie die Ukrainehilfen kürzen würden, sagte Biden bei einem Besuch im US-Bundesstaat Pennsylvania. Im Falle eines Wahlsieges wollten die Republikaner die Unterstützung Kiews nicht wie bisher fortsetzen. Sie verstünden nicht, wie folgenreich und ernst dies wäre, nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Osteuropa und die Nato, beklagte Biden.
Der republikanische Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, hatte vor wenigen Tagen signalisiert, dass seine Partei im Falle eines Wahlsieges bei den Kongresswahlen im November bei den Ukrainehilfen bremsen könnte. In einem Interview sagte er: »Ich denke, dass die Leute nicht in einer Rezession sitzen und der Ukraine einen Blankoscheck ausstellen werden.«
Was heute passiert
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Der Bundestag entscheidet ab 9 Uhr über das geplante milliardenschwere Paket zur Senkung der Energiepreise. Stimmen die Abgeordneten zu, darf der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) Kredite von bis zu 200 Milliarden Euro aufnehmen. Damit sollen vor allem die geplante Gaspreisbremse finanziert und die Strompreisbremse finanziell abgesichert werden. Ein Teil des Geldes soll auch an Unternehmen fließen, die durch Russlands Krieg in der Ukraine besonders in Schwierigkeiten sind.