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Bugdetlimit in der Formel 1: Wie Ferrari die Zukunft der Sportart gefährdet

May 28
16:57 2020
Ferrari-Pilot Charles Leclerc am Hockenheimring 2019 Icon: vergrößern

Ferrari-Pilot Charles Leclerc am Hockenheimring 2019

Dan Mullan/ Getty Images

Der Start der Formel-1-Saison ist ungewiss. Für Ferrari läuft es derzeit trotzdem gar nicht so schlecht. Mit dem nahenden Vertragsende von Sebastian Vettel und der Verpflichtung von Carlos Sainz wird die Teamhygiene für die Zukunft wiederhergestellt. Charles Leclerc geht als Nummer-eins-Fahrer in die kommenden Jahre. Und in Sachen Budgetlimit hat Ferrari dank einer über Jahrzehnte aufgebauten Machtposition geringere Zugeständnisse machen müssen als zunächst befürchtet.

Der Weltrat des Internationalen Motorsportverbands FIA hat den Beschluss der Teamchefs mittlerweile bestätigt – die Einigung sieht folgende Eckpunkte vor: Statt der bisher angepeilten Maximalsumme von 175 Millionen Dollar müssen die Rennställe 2021 mit 145 Millionen Dollar (derzeit rund 132 Millionen Euro) auskommen. In den folgenden beiden Jahren soll der Etat um jeweils weitere fünf Millionen Dollar sinken.

Die zur Verfügung stehenden Mittel der Teams fallen damit auf umgerechnet 123 Millionen Euro in der Saison 2023. Wenn man bedenkt, dass die drei großen Teams (Ferrari, Mercedes, Red Bull) im vergangenen Jahr bis zu 400 Millionen Euro oder gar etwas mehr investiert haben, klingt das zunächst nach einer erheblichen Kostenreduzierung. Allerdings können die Rennställe eine Hintertür nutzen. Die Gehälter der Fahrer und der drei bestbezahlten Angestellten, die Ausgaben für Marketing und Werbung sowie weitere kleine Kostenpunkte werden weiterhin herausgerechnet. Das kann nach SPIEGEL-Informationen bis zu 65 Millionen Euro ausmachen.

Die Formel 1 hat ein großes Problem: Langeweile

In der Formel 1 gab es immer Phasen, in denen Rennställe und Fahrer dominierten. Diese Phasen dauerten jedoch selten länger als zwei oder drei Jahre. Das änderte sich mit der Jahrtausendwende, als Michael Schumacher und Ferrari die Formel 1 fünf Jahre lang beherrschten. Es folgte wenig später die Sebastian-Vettel-Red-Bull-Phase mit vier WM-Titeln in Serie. Seit 2014 die Hybridtechnologie eingeführt wurde, ist Mercedes kaum mehr zu schlagen. Der letzte Grand-Prix-Sieger, der nicht in einem Ferrari, einem Silberpfeil oder einem Red Bull saß, war im März 2013 Kimi Räikkönen im Lotus-Renault.

Die bedeutendste Motorsportserie der Welt muss deshalb seit Jahren mit einem Makel leben: Langeweile. Aus diesem Grund entschied sich Liberty Media, seit 2016 Besitzer der Formel 1, für die Einführung des Budgetlimits. Die Chancengleichheit soll erhöht werden – und die Teams sollen die Möglichkeit bekommen, mit der Formel 1 Gewinne zu erwirtschaften. Gleichzeitig sollte sich das technische Reglement ändern – sportlich geregelte Überholmanöver, wo es auf den Fahrer ankommt und nicht auf technische Überlegenheit, sind durch die aerodynamische Überfrachtung nahezu unmöglich geworden. Der sportliche Wettbewerb sollte ab 2021 wieder mehr in den Vordergrund rücken. Inklusive Sieg- oder zumindest Podestchancen für die kleineren Teams.

Die Coronakrise hat die Pläne durcheinandergewirbelt. Ob in dieser Saison Rennen stattfinden werden, steht weiterhin nicht fest. Viele Teams sind in finanzieller Schieflage. Um parallel zur Krise keine Entwicklungskosten zu haben, wurde das neue Reglement auf 2022 verschoben. Die sieben kleineren Rennställe drängten – angeführt von McLaren, wo im gesamten Werk gerade 1200 von 4000 Stellen gestrichen werden sollen – in den vergangenen Wochen auf einen Budgetdeckel in Höhe von 100 Millionen Dollar. Ferrari und Red Bull sollen auf 150 Millionen bestanden und nur Mercedes sich gesprächsbereit gezeigt haben und so einigte man sich auf den Kompromiss von 145 Millionen – plus die genannten Ausnahmen.

Diese Summen sind weiterhin zu hoch, um eine größere Ausgeglichenheit des Feldes und somit einen sportlich fairen Wettkampf zu garantieren. "Mit dieser Summer könnten wir trotzdem die schnellsten Autos auf dem Planeten bauen", sagte McLaren-Teamchef Andreas Seidl. Dass derzeit kein Formel-1-Team Gewinne erwirtschaften kann, halten gerade die Vertreter der kleineren Rennställe für einen Kardinalfehler. "Wer im Mittelfeld gut unterwegs ist, es auch mal aufs Podium schafft, der sollte als Grand-Prix-Team Geld verdienen", fordert Günther Steiner, Teamchef von Haas. Dafür jedoch müsse das Preisgeld anders verteilt werden. "Die Großen sollen etwas zugunsten der Mittelfeldteams abgeben, das ist zugesagt", sagte Steiner dem SPIEGEL. Konkrete Verhandlungen stehen laut Steiner in Kürze an.

Ferrari hat kein Interesse an Wettbewerb

Bisher ist unklar, wie Ferrari sich in der Frage der Umverteilung positionieren wird. Die Scuderia beansprucht allerdings eine Ausnahmestellung und sieht sich als Bestandteil der Formel-1-DNA. Ferrari droht in unregelmäßigen Abständen mit dem Ausstieg, pflegt beste Kontakte zum Weltverband FIA und will mit allen Mitteln zurück an die Spitze. Dafür wurde in der vergangenen Saison offenbar sogar geschummelt, die Einigung mit der FIA hatte ein Geschmäckle.

Ferrari hat kein Interesse, kleinere Teams größer werden zu lassen. Da hat bisher auch die Coronakrise nicht zu einem Umdenken geführt. Womöglich wird nur ein Nachfrage-Einbruch auf dem Sportwagenmarkt die Haltung der Scuderia ändern können. Das ist bei Red Bull und Mercedes anders:

  • Die Österreicher kämpften zwar, wenn auch nicht so öffentlichkeitswirksam wie Ferrari, für ein höheres Budget. Gleichzeitig ließ Red Bull offenbar aber Franz Tost, Teamchef des Tochterteams Alpha Tauri, für die kleinen Rennställe sprechen und damit für einen Budgetdeckel in Höhe von 100 Millionen werben. Bei Red Bull, einem kaufmännisch orientierten Unternehmen, werden die grundsätzlichen Probleme der Formel 1 erkannt, es wird ein sportlich ausgeglichener Wettkampf angestrebt.

  • Bei Mercedes ist durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie ein veränderter Kostendruck entstanden. Die Ausrichtung der Modellreihe auf E-Mobilität passt kaum zur Formel 1. Vorerst scheint der Automobilhersteller keine Alternative zum Weitermachen zu sehen, mittelfristig ist jedoch ein Ausstieg denkbar. In den vergangenen Jahren war die Formel 1 für Mercedes aufgrund des Imagegewinns ein lohnendes Geschäft, der damalige Konzernchef Dieter Zetsche segnete in der Regel ab, was Motorsportchef Toto Wolff für richtig hielt. Unter Nachfolger Ola Källenius, seit 2019 in der Verantwortung, hat sich das geändert. Wolff sieht sich verstärkt in der Pflicht, auf die derzeit mäßige Stimmung im Konzern einzugehen – und zu sparen.

Im Juni droht eine Entlassungswelle

Der sportliche Misserfolg der vergangenen Jahre rechtfertigt Ferraris Ausgaben von über 400 Millionen Euro nicht. Alpha-Tauri-Teamchef Tost rechnet vor, dass bei Ferrari 2000 Mitarbeiter am Formel-1-Projekt beteiligt sind, während Mittelklasseteams mit bis zu 750 Beschäftigten auskommen. Dennoch waren die Roten eine kleine Ewigkeit nicht mehr Weltmeister: 2008. Im Moment prüft Ferrari die Möglichkeit, in andere Rennserien einzusteigen, um nach der Budgetdeckelung nicht so viele Mitarbeiter entlassen zu müssen. Generell droht der Formel 1 eine Entlassungswelle. Viele Beschäftigte in den Teams sollen halbjährliche Kündigungsfristen haben.

Unter diesen Voraussetzungen ist es gefährlich, nur an schnelle Erfolge zu denken. Derzeit weiß niemand, wie die Formel 1 in fünf Jahren aussehen wird. Sollte die Pause länger andauern oder Rennen nur vereinzelt möglich sein, droht mehreren Teams das finanzielle Aus. Die Verschiebung der Regeländerung und der Budgetkompromiss führen dazu, dass die kleinen Rennställe frühestens 2023 aufholen, mit einer echten Podiumschance rechnen Teamchefs sogar erst 2024. Vier weitere Saisons mit einer Zweiklassengesellschaft kann sich die Formel 1 aber nicht leisten.

"Die Formel 1 braucht ein langfristiges Konzept, damit die Manager in den Firmenvorständen bei Mercedes oder Renault sehen: Jawohl, es lohnt sich, in der F1 zu bleiben", sagte Ex-Rennfahrer Martin Brundle im TV-Sender Sky. Formel-1-Sportchef Ross Brawn sieht das auch so. Er will die Serie langfristig retten. Dafür aber muss sich die Haltung einiger Teams ändern.

Icon: Der Spiegel

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