Saudi-Arabien: Olaf Scholz spricht Jamal-Khashoggi-Mord an
Bundeskanzler Olaf Scholz bemüht sich, die Beziehungen zum potenziellen Energielieferanten Saudi-Arabien zu normalisieren. Bei seinem Besuch im Golfstaat habe er aber auch Fragen nach Menschenrechten nicht ausgespart.
Seit dem Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi vor vier Jahren sind die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Saudi-Arabien weitgehend eingefroren. Ein weiterer Grund war das aggressive Vorgehen der Saudis im andauernden Krieg im Jemen. Doch jetzt bemüht sich die Bundesregierung um eine Normalisierung, es geht dabei auch darum, den mächtigen Golfstaat als potenziellen Energielieferanten zu gewinnen.
Bei seinem Treffen mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman am Samstag in der saudischen Hafenstadt Dschidda sprach Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seinen Gastgeber dennoch auf das empfindliche Thema Menschenrechte und den Mord an Kashoggi an. »Wir haben alle Fragen besprochen, die sich um Fragen von Bürger- und Menschenrechten drehen«, sagte er laut Nachrichtenagentur dpa auf eine entsprechende Frage eines Journalisten bei einem anschließenden Pressetermin. »Das gehört sich so. Und da können Sie von ausgehen, dass nichts unbesprochen geblieben ist, was zu sagen ist«, so Scholz weiter. Weitere Details nannte er jedoch nicht.
Kronprinz bin Salman wird vom US-Geheimdienst für den grausamen Mord an dem saudischen Regierungskritiker und Journalisten verantwortlich gemacht, der sich 2018 im saudischen Generalkonsulat in Istanbul ereignete. Der Thronfolger bestreitet, Drahtzieher der Tat zu sein.
Kräftiger Handschlag unter dem Porträt des Königs
Empfangen wurde der deutsche Kanzler im königlichen Palast des Friedens mit einem kräftigen Handschlag. Zum Gespräch nahmen beide unter einem Porträt von König Salman Platz. Mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dem inzwischen zurückgetretenen britischen Premier Boris Johnson und US-Präsident Joe Biden waren vor Scholz schon die wichtigsten Bündnispartner Deutschlands in Saudi-Arabien zu Gast. Der Kronprinz war im Juli erstmals auch wieder zu offiziellen Treffen in die EU gereist.
Scholz knüpft an diese Lockerungen an und will auch mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Folgen für die deutsche Energiewirtschaft und die Verbraucherpreise den Gesprächsfaden wieder aufnehmen. Notgedrungen müsse man auch mit schwierigen Partnern im Dialog bleiben, um sie nicht an Bündnisse mit Ländern wie Russland oder China zu verlieren.
Trotz einiger Reformen steht das streng konservative Königreich und absolutistisch regierte Saudi-Arabien vor allem wegen der Lage der Menschenrechte in der Kritik. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte daher vor Scholz’ Reise klare Worte des Kanzlers gefordert: »Auch in Anbetracht aller geopolitischen und energiepolitischen Sachzwänge sollte der Bundeskanzler bei seiner Reise nach Saudi-Arabien nicht zu den Menschenrechtsverletzungen im Land schweigen.«
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (Reporter sans Frontières; RSF) hatte Scholz aufgefordert, auch die Pressefreiheit zu thematisieren. »Wenn er mit diesen Regierungen Geschäfte machen will, sollte er aber eine Bedingung stellen: dass deren Herrscher aufhören, die Medien als grundlegende Säule des Rechtsstaats mit Füßen zu treten«, sagte der Geschäftsführer von RSF Deutschland, Christian Mihr, der »Neuen Osnabrücker Zeitung« (NOZ).
Doch da gibt es ja auch noch das ebenfalls heikle Thema der Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. Das Königreich zählt nach Recherchen des Friedensforschungsinstituts Sipri zu den fünf größten Rüstungsimporteuren weltweit, Deutschland zu den fünf größten Exporteuren. Unter der Ampelregierung sei aber kein einziger Rüstungsexport mehr an Saudi-Arabien genehmigt worden. Das geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf Anfrage der Linkspartei hervor, die der Nachrichtenagentur AFP am Samstag vorlag. Grund für die Zurückhaltung ist ein Exportstopp, der seit November 2018 gilt.
Scholz betonte in der Pressekonferenz, dass es bei den Wirtschaftsthemen vor allem um die Zusammenarbeit bei der Produktion und dem Transport von Wasserstoff ging. Die Frage, ob der Kronprinz eine Lockerung der Rüstungsexportregeln von ihm verlangt habe, beantwortete Scholz nicht. »Alle wissen, dass wir hier eine sehr strikte Politik verfolgen. Und entlang dieser Regeln ist es in den letzten Jahren ja auch zu Entscheidungen gekommen, die gut abgewogen waren. Und wir werden weiter gut abgewogene Entscheidungen treffen«, sagte er.
»Handlungsreisender einer schäbigen Doppelmoral«
Für Katar hingegen, einem weiteren Golfstaat, den Scholz in den kommenden Tagen auf der Arabischen Halbinsel besuchen will, gab das Ministerium 46 Einzelgenehmigungen an. Der Wert dieser Rüstungsgüter belief sich dabei auf 20,7 Millionen Euro, wie es in der Antwort des Ressorts von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vom 20. September heißt. Bei den Vereinigten Arabischen Emiraten wurden zehn Genehmigungen im Wert von gut 219.000 Euro aufgeführt.
Die Linkenabgeordnete Sevim Dağdelen warf Scholz mit Blick auf seine Reise vor, »Handlungsreisender einer schäbigen Doppelmoral« zu sein. Zwar wolle die Bundesregierung kein Gas und Öl aus Russland mehr, setze nun aber »auf Energiedeals mit blutigen Diktaturen am Golf«. Dağdelen ging davon aus, dass die Visite »den Weg zu neuen Waffenlieferungen freizumachen droht«.
Bereits im März war Wirtschaftsminister Habeck nach Katar gereist, um einen Energiedeal mit dem Emirat auszuhandeln. Doch der in den Medien kritisch betrachtete Besuch blieb bisher ohne konkrete Ergebnisse.
Am Samstagabend wollte Scholz nun zunächst in die Vereinigten Arabischen Emirate und dann nach Katar weiterreisen. Welche Verträge über die Lieferung von Flüssigerdgas oder – mittel- und langfristig – auch Wasserstoff aus der Region nach Deutschland abgeschlossen werden könnten, blieb zunächst unklar.
Aus dem Umfeld des Kanzlers hieß es: »Wir werden ambitionierte Vorschläge zum Abschluss bringen.« Die Reise solle aber nicht zu einer reinen »Energie-Einkaufstour« werden.
Scholz wird von elf deutschen Topmanagern begleitet. Unter anderem sind Airbus, Thyssenkrupp und Siemens Energy in der Wirtschaftsdelegation vertreten. Die Energiewirtschaft erhofft sich von der Reise nicht nur kurzfristige Gasexporte aus der Golfregion, sondern auch längerfristige Partnerschaften.