News zum Russland-Ukraine-Krieg: Das geschah in der Nacht zu Dienstag (20. September)
Die russische Seite will ihre Reihen offenbar mit Straftätern verstärken – mit mäßigem Erfolg. In der Ostukraine sollen rasch Volksabstimmungen stattfinden. Und: deutsche Panzerhaubitzen für Kiew. Das geschah in der Nacht.
Was in den vergangenen Stunden geschah
Die russische Söldnertruppe Wagner versucht nach US-Angaben, mehr als 1500 Häftlinge als Kämpfer zu rekrutieren. »Wir haben Informationen, laut denen Wagner in der Ukraine schwere Verluste erlitten hat. Das betrifft, wenig überraschend, vor allem junge und unerfahrene Kämpfer«, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen namentlich nicht genannten US-Militär. Allerdings komme die Söldnertruppe bei ihren Rekrutierungen nicht recht voran. Viele junge und verurteilte Straftäter würden das Angebot ablehnen, hieß es.
Die Existenz privater Militärunternehmen hat das russische Regime lange abgestritten, Söldnertum ist in Russland strikt verboten. Mit dem Ukrainekrieg haben sich die ohnehin schon schwer zu trennenden Grenzen zwischen regulärem russischem Militär und Schattenarmeen endgültig aufgehoben.
Das sagt Kiew
Die Ukraine will sich darauf konzentrieren, in den zurückeroberten Gebieten schnell voranzukommen. Dies kündigte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videoansprache an. Die ukrainischen Truppen müssten sich weiterhin schnell bewegen, das normale Leben schnell wiederhergestellt werden. »Wir tun alles, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der Ukraine auf allen Ebenen – Verteidigung, Finanzen, Wirtschaft, Diplomatie – erfüllt werden«, sagte Selenskyj. Er deutete zudem an, dass er am Mittwoch in einer Videoansprache vor den Vereinten Nationen auch die Beschleunigung von Waffenlieferungen und Hilfsleistungen anderer Länder fordern werde.
Der ukrainische Präsident hat zudem erneut mit der Führung von Armee und Sicherheitsapparat über die Lage im Abwehrkampf gegen die russische Invasion beraten. Diese Beratungen haben sich gehäuft, seit die Ukraine Anfang September zu Gegenoffensiven übergegangen ist. Selenskyj sagte, dass die Ukraine die Lage in den befreiten Gebieten bei Charkiw im Osten fest im Griff habe. Er dankte einzelnen Brigaden seiner Armee, aber auch dem Geheimdienst SBU. Dieser trage Sorge dafür, »dass die Besatzer sich nirgends auf ukrainischem Boden halten können«.
Aus den Gräbern nahe der ukrainischen Stadt Isjum sind der örtlichen Regierung zufolge bisher 146 Leichen exhumiert worden. »Einige der Toten weisen Anzeichen eines gewaltsamen Todes auf. Es gibt Leichen mit gefesselten Händen und Spuren von Folter«, schrieb der Gouverneur der Region Charkiw, Oleg Sinegubow, auf Telegram. Zudem habe man die Leichen von zwei Kindern gefunden. Anwohnern zufolge kamen manche der begrabenen Menschen bei einem russischen Luftangriff ums Leben. Selenskyj zufolge wurden am Stadtrand von Isjum vermutlich insgesamt 450 Leichen begraben. Der Kreml weist die Anschuldigungen der Ukraine zurück.
Das sagt Moskau
Angesichts des Vormarsches ukrainischen Truppen beginnt in den von Moskau unterstützten Separatistengebieten Luhansk und Donezk eine Kampagne für einen schnellen Beitritt zu Russland. In der sogenannten Volksrepublik Luhansk appellierte ein »Bürgerkammer« genanntes Gremium an die örtliche Führung, bald eine Volksabstimmung über den Anschluss abzuhalten.
Wenig später folgte in der Volksrepublik Donezk die Bürgerkammer mit der gleichen Bitte, wie die russische Nachrichtenagentur Tass meldete. Auch im Gebiet Cherson fordere die Bevölkerung ein Referendum, sagte der von Russland eingesetzte Verwaltungschef Kirill Stremoussow.
Vorbereitungen auf solche Volksabstimmungen laufen sowohl in den Separatisten-Republiken wie in den neu von Russland eroberten Gebieten seit Längerem. In Cherson waren sie wegen der ukrainischen Vorstöße zunächst auf den 4. November verschoben worden.
Es sei noch zu früh, um über ein Datum zu sprechen, sagte der Vorsitzende der Bürgerkammer von Luhansk, Alexej Karjakin, im russischen Fernsehen. Der Hintergrund der Kampagne ist unklar. Die Volksrepubliken Donezk und Luhansk werden seit 2014 aus Moskau sehr kleinteilig gesteuert. Doch wenn dort auf einen Anschluss an Russland gedrängt wurde, reagierte Moskau bislang zurückhaltend.
Debatte über deutsche Waffenlieferungen
Die Ukraine soll für ihren Abwehrkampf gegen Russland von der Bundeswehr vier weitere Panzerhaubitzen erhalten. Die Lieferung werde unverzüglich in die Wege geleitet, teilte das Verteidigungsministerium in Berlin mit. Bei der Panzerhaubitze 2000 handelt es sich um schwere Artilleriegeschütze mit einer Reichweite bis zu 40 Kilometer. Die Lieferung soll auch ein Munitionspaket beinhalten.
Die Bundesregierung betonte, dass die Ukraine den Wunsch nach weiteren Haubitzen geäußert habe. »Die von Deutschland und den Niederlanden gelieferten Panzerhaubitzen 2000 haben sich im Gefecht mehr als bewährt«, sagte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) laut Mitteilung. »Um die Ukraine in ihrem mutigen Kampf gegen den brutalen russischen Angriff weiter zu unterstützen, wird Deutschland diesem Wunsch nachkommen.« Mit den vier Panzerhaubitzen steige die Zahl der von Deutschland gelieferten Artilleriegeschütze auf 14.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sollte seine Reise nach New York aus Sicht der Grünen-Außenpolitikerin Jamila Schäfer nutzen, um über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine zu sprechen. »Besonders glaubwürdig kann der Bundeskanzler bei den Vereinten Nationen agieren, wenn Deutschland seiner Verantwortung in der Ukraine gerecht wird«, sagte die Chefin der bayerischen Landesgruppe der Grünen im Bundestag.
Die jüngsten Geländegewinne der ukrainischen Armee hätten bewiesen, dass die westliche Militärhilfe den Ausschlag geben könne. »Olaf Scholz ist also angehalten, in den Gesprächen mit unseren amerikanischen Partnern unsere Unterstützung für die Lieferung von gepanzerten Fahrzeugen sowie Kampfpanzern zu signalisieren«, sagte Schäfer.
Internationale Reaktionen
Sänger Udo Lindenberg hat sich mit der bekannten russischen Popsängerin Alla Pugatschowa und ihrer Kritik an Russlands Angriffskrieg in der Ukraine solidarisiert. Er postete am Montagabend ein Foto von sich und Pugatschowa auf seiner Facebook-Seite und schrieb dazu, dass seine »langjährige Freundin und Kollegin« heftige Kritik an »Putins verbrecherischem Krieg gegen die Ukraine« äußere.