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Ukraine-Krieg: Das geschah in der Nacht zu Sonntag (18. September)

September 18
10:16 2022

Verteidigungsministerin Lambrecht fordert die Aufklärung möglicher Kriegsverbrechen. Der US-Präsident wendet sich mit eindringlichen Worten an Russlands Staatschef. Der Überblick.

Was in den vergangenen Stunden geschah

Bewohner der ukrainischen Stadt Isjum suchen in einem nahegelegenen Wald weiter nach toten Verwandten, die dort begraben sein könnten. Einsatzkräfte setzen die Exhumierung von mehr als 440 Leichen fort, die dort nach der Vertreibung der russischen Streitkräfte gefunden worden waren.

Die Todesursachen der entdeckten Leichen sind noch nicht abschließend geklärt. Bewohner sagen, dass einige wohl bei einem Luftangriff ums Leben gekommen seien. Nach Angaben der ukrainischen Behörden weist mindestens eine der Leichen gefesselte Hände und Spuren eines Stricks am Hals auf.

Das sagt Kiew

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat das Vorgehen der russischen Besatzer in seinem Land mit den Gräueltaten der Nazis im Zweiten Weltkrieg verglichen. Es gebe grausamste Folter, Deportationen, verbrannte Städte, bodenlosen Hass und nichts Lebendiges mehr unter russischer Besatzung, sagte Selenskyj in einer am Samstag verbreiteten Videobotschaft. Zwar würden die Russen anders als die Nazis keine Seife aus den getöteten Ukrainern machen, und keine Lampenschirme aus ihrer Haut. »Aber das Prinzip ist das gleiche«, meinte der Staatschef.

Selenskyj bezeichnete die vor einer Woche aus dem Gebiet Charkiw geflohenen Besatzer als »Raschisten« und sagte, so hätten sich auch die »Nazis« verhalten. »Raschismus« vereint die Wörter Russland und Faschismus und wird von vielen Ukrainern als Begriff für »russischer Faschismus« benutzt. Wie die »Nazis« würden auch die »Raschisten« auf dem Schlachtfeld und vor Gericht für ihre Taten zur Verantwortung gezogen, sagte Selenskyj.

»Wir werden die Identitäten aller ermitteln, die gefoltert und misshandelt haben, die diese Grausamkeiten von Russland hier auf ukrainisches Gebiet gebracht haben«, sagte der 44-Jährige. Bei ihrer Flucht hätten die Besatzer Foltergeräte zurückgelassen. Ukrainische Behörden veröffentlichten unterdessen Fotos, die Folterkammern und -geräte zeigen sollen. Es seien inzwischen mehr als zehn Folterkammern in verschiedenen Städten des befreiten Gebiets Charkiw entdeckt worden, sagte Selenskyj: »Folter war eine weit verbreitete Praxis in dem besetzten Gebiet.«

Nach Darstellung Selenskyjs wurden Menschen mit Drähten und Stromschlägen gequält. So sei etwa auf einem Bahnhof in Kosatscha Lopan ein Folterraum mit elektrischen Folterwerkzeugen entdeckt worden. Auch bei den in einem Waldstück nahe der Stadt Isjum gefundenen Leichen seien neue Beweise für Folter sichergestellt worden. Die Exhumierung der Toten auf der »Massengrabstätte« sei am Samstag fortgesetzt worden, sagte Selenskyj.

In der Ostukraine werden mehr als 440 Gräber ausgehoben. SPIEGEL-Reporter Alexander Sarovic ist vor Ort. Er berichtet im Video über die Bergung der Leichen und erste Erkenntnisse der Behörden.

Das sagt der Westen

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht fordert die Aufklärung möglicher Kriegsverbrechen. »Diese furchtbaren Verbrechen müssen unbedingt aufgeklärt werden – am besten von den Vereinten Nationen«, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Uno solle schnellstmöglich Zugang bekommen, damit Beweise gesichert werden könnten. »Die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen müssen vor Gericht gestellt werden«, so Lambrecht.

US-Präsident Joe Biden warnt den russischen Präsidenten Wladimir Putin derweil davor, nach den Rückschlägen in der Ukraine taktische Atom- oder Chemiewaffen einzusetzen. »Machen Sie das nicht, machen Sie das nicht, machen Sie das nicht. Es würde das Gesicht des Krieges verändern, wie nichts anderes seit dem Zweiten Weltkrieg«, sagte Biden in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS .

Russland würde sich damit noch mehr zum Außenseiter machen als jemals zuvor, so Biden. Der russische Präsident hatte erklärt, dass Moskau sein Vorgehen ändern würde, wenn seine Truppen weiter unter Druck gesetzt würden.

Das sagt Moskau

Moskau hat sich bislang nicht zu den bei Isjum entdeckten Gräbern geäußert. Die russische Regierung bestreitet aber regelmäßig, im Krieg Gräueltaten begangen oder Zivilisten ins Visier genommen zu haben.

Der Leiter der prorussischen Verwaltung, die das Gebiet Anfang des Monats verlassen hat, beschuldigte die Ukrainer, die Gräueltaten in der Stadt Isjum inszeniert zu haben. »Ich habe nichts von Beerdigungen gehört«, sagte Witali Gantschew dem staatlichen Fernsehen Rossija-24.

Waffen für die Ukraine

Der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, Admiral Rob Bauer, sieht in der westlichen Militärhilfe und der Kriegsführung des ukrainischen Militärs entscheidende Faktoren für die jüngsten Erfolge Kiews. »Die Munition, Ausrüstung und Ausbildung, die die Verbündeten und andere Nationen liefern, machen auf dem Schlachtfeld einen echten Unterschied«, sagte der Niederländer am Samstag in Estlands Hauptstadt Tallinn, wo sich der Ausschuss traf, dem die Generalstabschefs der 30 Mitgliedsstaaten angehören.

Die ukrainische Armee hatte zuletzt bei einer Gegenoffensive im Osten des Landes von russischen Kräften besetztes Gebiet zurückerobert. Nach Angaben von Bauer will die Nato die Ukraine »so lange unterstützen, wie es nötig ist. Der Winter kommt, aber die Unterstützung soll unerschütterlich bleiben«, sagte er.

Am Samstag wurde bekannt, dass die Bundesregierung der Ukraine den Kauf von Haubitzen aus deutscher Produktion genehmigt hat. Ein Regierungssprecher sagte auf Anfrage: »Wir können bestätigen, dass eine Genehmigung zur Ausfuhr von 18 Haubitzen vom Typ RCH-155 erteilt wurde.« Die »Welt am Sonntag« hatte zuvor unter Berufung auf ihr vorliegende Dokumente darüber berichtet. Demnach geht es um einen geplanten Auftrag Kiews beim Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann (KMW) im Wert von 216 Millionen Euro. Die Haubitzen könnten allerdings frühestens in zweieinhalb Jahren ausgeliefert werden.

Das wird wichtig

Im befreiten ostukrainischen Gebiet Charkiw wollen ukrainische Ermittler weiter Beweise für Kriegsverbrechen sichern. In dem Waldstück nahe der Stadt Isjum geht die Exhumierung der Leichen weiter. Geklärt werden sollen die Identität der Menschen und die Todesursache. Zudem geht die Debatte weiter um Lieferungen etwa von deutschen Kampfpanzern an die Ukraine. Kanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt dies ab.

In seinem Video kündigte der ukrainische Präsident Selenskyj an, dass neben der Ermittlungsarbeit zur Aufklärung der russischen Verbrechen im Gebiet Charkiw das normale Leben zurückkehren solle. Die Menschen sollten Nahrungsmittel, Medikamente, Strom und ihre Renten erhalten. Auch der öffentliche Verkehr solle wieder hergestellt werden. Zwar räumte Selenskyj ein, es gebe aktuell keine »signifikanten Änderungen der Lage« an der Front. Zugleich betonte er aber, dass alle besetzten Gebiete befreit würden – und Russland keine Chance habe.

Es sollten die Gebiete Cherson, Luhansk, Donezk samt der dortigen Großstadt Mariupol, aber auch Bedyansk in der Region Saporischschja sowie die von Russland schon 2014 annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim befreit werden. Überall werde wieder die ukrainische Flagge wehen, sagte Selenskyj. »Aber wir brauchen dafür noch Zeit.« Vor allem setzt die Ukraine auf schwere Waffen des Westens, um die russischen Besatzer aus dem Land zu drängen.

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