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Olaf Scholz: Drei Gefahrengebiete für den SPD-Kanzlerkandidaten

August 11
18:29 2020
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Kanzlerkandidat Scholz: Prognosen mit großer Entschiedenheit

Foto: HAYOUNG JEON/EPA-EFE/Shutterstock

"Es geht ja nicht morgen früh der Wahlkampf los" – so hat Olaf Scholz in der ARD seine frühe Kür zum Kanzlerkandidaten der SPD verteidigt. "Sondern es ist einfach ganz normale Regierungsarbeit angesagt." In der Tat wurde Scholz mit großem Vorlauf auf den Schild gehoben. Ganze 440 Tage liegen zwischen seiner Nominierung und der Bundestagswahl.

Das bedeutet einerseits, dass Scholz nun viel Zeit hat, um sich als künftiger Regierungschef zu empfehlen – was einem Vizekanzler in Krisenzeiten deutlich leichter fallen dürfte als beispielsweise dem langjährigen Politik-Abstinenzler Friedrich Merz. Es bedeutet aber auch, dass Scholz' Arbeit ab sofort noch stärker als bislang auf Fehler abgeklopft wird.

Selbstvertrauen hat Scholz reichlich; dass er sich für taugliches Kanzlermaterial hält, hat er abseits von Mikrofonen und Kameras immer wieder durchblicken lassen. Eine Scholz-Spezialität sind auch Prognosen, die er mit großer Entschiedenheit vorträgt. Dass ihm dabei auch erhebliche Fehleinschätzungen unterlaufen können, wurde besonders eindrücklich im Juli 2017 deutlich.

Damals eskalierten in Hamburger Stadtteilen wie St. Pauli oder dem Schanzenviertel – von der Polizei zeitweise als "Gefahrengebiete" ausgewiesen – gewaltsame Proteste gegen den G20-Gipfel. Dabei hatte Scholz, damals Erster Bürgermeister der Hansestadt, das Treffen vorab als ähnlich unspektakulär wie den Hamburger Hafengeburtstag bezeichnet. Scholz war blamiert und entschuldigte sich bei den Bürgern.

In der Coronakrise hat Scholz hingegen bislang ein gute Figur gemacht. Im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie wurde er zum Herrn über billionenschwere Staatshilfen. Zugleich konnte er sich elegant von der Politik der Schwarzen Null verabschieden, die er von Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) geerbt hatte – und die zwischen ihm und der linken Parteispitze stand.

Problem 1: Wirecard

Als sich im Finanzministerium jedoch gerade ein wenig Rettungsroutine einstellen wollte, schreckte Wirecard das Land auf. Der Skandal um die Bilanzmanipulation des Dax-Konzerns könnte im Wahlkampf zu Olaf Scholz' ganz persönlichem Gefahrengebiet werden. Denn unter seine Verantwortung fallen Bankenaufsicht und Geldwäschekontrollen, die im Fall von Wirecard eklatant versagten.

Im Fokus stehen bislang Untergebene von Scholz wie BaFin-Chef Felix Hufeld und seine Staatssekretäre Jörg Kukies und Wolfgang Schmidt. Scholz selbst präsentiert sich mit einem 16-Punkte-Plan als Aufräumer, über Details wie eine offizielle Lobby-Offensive für Wirecard in China war er angeblich nicht informiert. Zudem verweist man im Finanzministerium auf die Verantwortung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Deren Kontrolle ist beim Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier (CDU) angesiedelt– wo man wiederum zurück in Richtung von Scholz und Finanzaufsicht deutet.

Die Verantwortung für das Wirecard-Debakel könnte bald einen Untersuchungsausschuss des Bundestages beschäftigen – nicht gerade die Wunschbühne eines Kanzlerkandidaten. Auch vor solch einem Ausschuss dürfte Scholz zwar auf seinen begrenzten Informationsstand in Sachen Wirecard verweisen. Das wäre allerdings kein vorteilhaftes Bild für jemanden, der sonst sein Bild als umfassend informierter Aktenfresser pflegt.

Problem 2: Cum-Ex

Auch mit der Cum-Ex-Affäre könnte Scholz in den kommenden Monaten noch häufiger konfrontiert werden. Zwar fallen die Wurzeln des Betrugs beim Handel von Aktien mit und ohne Dividende vor seine Amtszeit als Finanzminister. Als solcher hat er solchen Maschen zudem den Kampf angesagt – unter anderem durch verlängerte Verjährungsfristen und ausgeweitete Meldepflichten.

Weniger entschlossen wirkte das Vorgehen allerdings, als Scholz noch Bürgermeister war. Damals war auch die Hamburger Privatbank Warburg in Cum-Ex-Geschäfte verwickelt. Die Finanzverwaltung der Hansestadt zögerte aber lange damit, die entgangenen Steuergelder zurückzufordern und wurde dazu schließlich sogar vom Bundesfinanzministerium aufgefordert.

Scholz räumte ein Treffen mit Warburg-Chef Christian Olearius ein. Er wies aber ebenso wie der damalige Finanzsenator und heutige Erste Bür­ger­meis­ter Peter Tschent­scher jede Einflussnahme auf die Finanzverwaltung zurück. Für die Opposition ist der Fall aber noch nicht erledigt. "Wir werden Olaf Scholz daran messen, ob er den Wirecard-Skandal und auch seine Rolle bei den Cum-Ex-Deals der Warburg Bank in Hamburg als Hamburger Bürgermeister schonungslos aufklärt", sagte Linken-Fraktionsvize Fabio De Masi nach Bekanntgabe der Kandidatur.

Problem 3: Coronakrise

Ein drittes Gefahrengebiet für Scholz könnte ausgerechnet jenes Thema werden, mit dem er sich zuletzt so profilieren konnte: die Coronakrise. In den ersten Monaten nach Ausbruch der Pandemie traten Scholz und Kabinettskollege Peter Altmaier (CDU) als tatkräftige Helfer auf, die in kurzer Zeit billionenschwere Hilfsprogramme für Unternehmen und Selbstständige schnürten. Scholz hatte spürbar Spaß an der Rolle, sprach von "Bazooka" und "Wumms", mit denen man jetzt die Krise bekämpfe.

Wie stark die Corona-Einschränkungen die Wirtschaft tatsächlich getroffen haben, wird sich aber erst noch zeigen. Denn wegen der Krise hat die Bundesregierung die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt. Nach jetzigem Stand endet das Moratorium Ende September, Justiziministerium Christine Lambrecht (SPD) will es bis März 2021 verlängern.

Früher oder später aber droht eine Pleitewelle unter deutschen Unternehmen, welche die begrenzten Möglichkeiten des Staates aufzeigt. Spätestens dann dürfte der SPD-Kanzlerkandidat wieder mit einem Versprechen aus den Anfangstagen der Krise konfrontiert werden: "Wir können allen helfen und tun das auch."

Icon: Der Spiegel

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