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Donald-Trump-Verwechslung: Weshalb Lorne Grabher vor Gericht landete

May 28
16:57 2020
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Grabher

Lorne Grabher, 71 Jahre alt, ist ein Mann, der an Recht und Ordnung glaubt. Er arbeitete bis zu seiner Pensionierung als Gefängniswärter in Sydney in der kanadischen Provinz Nova Scotia, 27 Jahre lang. Aber sein Glaube bekam Risse, als er plötzlich selbst vor einer Richterin stand.

Es begann im Dezember 2016, zwei Monate nachdem die "Washington Post" während des US-Wahlkampfs berichtet hatte, dass Donald Trump stolz darauf sei, Frauen ungefragt in den Schritt greifen zu können. Die Zeitung hatte online ein Video aus dem Jahr 2005 veröffentlicht, in dem Trump damit prahlte: "Grab them by the pussy. You can do anything." Jugendfrei übersetzt: "Greif ihnen zwischen die Beine. Du kannst alles mit ihnen machen." Trump bestritt die Vorwürfe nicht, versuchte aber, sie herunterzuspielen, er nannte seine Aussagen "locker room talk", "Umkleidekabinengerede". Kurze Zeit später erhielt Grabher seinen Brief von der Kfz-Zulassungsstelle.

Es war ein kurz gehaltenes Schreiben, das die Chefin des Amtes an Grabher adressiert hatte. Sie ließ Grabher wissen, dass sich jemand über das Nummernschild seines Autos beschwert und er sich nun um ein neues Schild zu kümmern habe, innerhalb von fünf Wochen. Grabher war, gelinde gesagt, überrascht.

In Kanada und auch in den USA sind auf Nummernschildern üblicherweise mehrere Buchstaben und Ziffern zu sehen, Wunschkennzeichen sind allerdings möglich. FCKTRMP zum Beispiel. Oder ASSMAN.

Das Nummernschild GRABHER wird von Lorne Grabhers Familie seit 30 Jahren an verschiedenen Autos genutzt, und nie hatte irgendjemand irgendetwas daran auszusetzen, sagt Grabher. Er selbst habe das Schild beantragt, als Geschenk für seinen Vater, Herman Charles Grabher, zu lesen mit langem A. Grabhers Familie stammt aus Österreich.

Die Leiterin der Zulassungsstelle teilte Grabher nicht mit, wer sich beschwert hatte, nur den Grund. Sein Name könnte von Passanten interpretiert werden als eine Aufforderung, als "sozial unakzeptabler Slogan", so formulierte sie es. Sie sah darin offenbar eine Anspielung auf Trumps Spruch "Grab her".

Er sei empört gewesen, erzählt Grabher am Telefon. Sein Familienname sei kein Slogan, und er sei auch nicht sozial inakzeptabel. Sein Name sei einfach sein Name, und er sei stolz auf ihn. Welche Assoziation Passanten hätten, wenn sie sein Nummernschild lesen, sei nicht seine Sache. Jahr für Jahr habe er die Gebühr von 20 Dollar gezahlt, um das Schild weiter nutzen zu dürfen. Nie sei GRABHER als Slogan gesehen worden. Nie habe es auch nur eine Beschwerde gegeben.

Grabher weigerte sich, der Aufforderung Folge zu leisten, und versuchte, die Mitarbeiter der Zulassungsstelle umzustimmen. Sie blieben hart. Grabher suchte Hilfe bei einem örtlichen Radiosender, das Interview hörte ein Mitarbeiter des "Justice Centre for Constitutional Freedoms". Der meldete sich bei Grabher, und bald darauf schrieb der Jurist der Bürgerrechtsorganisation im Namen Grabhers einen Brief an die Zulassungsstelle, nannte das Vorgehen "diskriminierend", "willkürlich" und "unangemessen". Dieses Schreiben, formuliert im März 2017, markiert den Moment, in dem Lorne Grabher Teil von etwas Größerem wurde, er wurde ein Kämpfer für die Meinungsfreiheit.

Die juristischen Argumente der Nummernschildgegner füllten mehrere Seiten, sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Aussage auf einem Nummernschild ist nicht geschützt durch die Meinungsfreiheit, denn ein Nummernschild ist kein öffentliches Forum, sondern gleicht einem offiziellen Dokument, auf dem nur das stehen darf, was der Staat für akzeptabel hält. Ohne zusätzliche Informationen erschließt sich beim Lesen von Lorne Grabhers Nummernschild nicht, dass es sich um einen Familiennamen handelt. Man kann es auch als Aufforderung zu sexueller Nötigung verstehen.

Die Argumente von Grabher und der Bürgerrechtsorganisation lauteten: Das Transportministerium hat mit der Einführung von Wunschnummernschildern die Möglichkeit geschaffen, dass sich Fahrzeughalter individuelle Schilder anfertigen lassen, die etwas über sie, ihre Werte oder auch ihre Familie aussagen.

Nichts anderes habe Lorne Grabher getan. Das Nummernschild spiegele die Vergangenheit seiner Familie wider, es sei repräsentativ für sie und könne deswegen auch nicht durch ein anderes Schild ersetzt werden. Außerdem gebe es auch andere Bezeichnungen im öffentlichen Raum, die anstößig klingen könnten, Ortsnamen beispielsweise wie "Dildo" auf der Insel Neufundland.

Der Rechtsstreit begann vor mehr als drei Jahren, Sachverständige wurden gehört. Die Provinz bat Carrie Rentschler, Professorin für feministische Medienforschung, um ein Gutachten, Grabhers Anwalt bot eine ehemalige Sexualforscherin auf, die auch im "Playboy" veröffentlicht hat. Richterin Darlene Jamieson wog die Argumente ab – und entschied Ende Januar im Sinne der Zulassungsstelle. Bei Nummernschildern endet ihrer Ansicht nach die Meinungsfreiheit.

Grabher hat nun Berufung gegen das Urteil des Supreme Court von Nova Scotia eingelegt. Es geht ihm ums Prinzip. Sein Name steht allerdings immer noch an seinem Wagen, gut sichtbar, an zwei Stellen, auf der Front- und auf der Heckscheibe. "Dagegen kann niemand etwas machen", sagt Grabher. Er klingt zufrieden. Scheiben sind keine Nummernschilder, es gilt die Meinungsfreiheit.

Icon: Der Spiegel

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