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Coronavirus: Warum Peter Altmaiers Förderprogramm für Luftfilter nichts bringt

October 17
17:56 2020
Mobile Luftfilteranlagen können sich auch Bars und Restaurants problemlos beschaffen. Allerdings fördert die Regierung solche Sofortmaßnahmen nicht Icon: vergrößern

Mobile Luftfilteranlagen können sich auch Bars und Restaurants problemlos beschaffen. Allerdings fördert die Regierung solche Sofortmaßnahmen nicht

Foto: Ben Hasty / MediaNews Group / Getty Images

Der Winter kommt. Doch egal wie gut ein Haus gedämmt ist: Es könnte in vielen Stuben kalt werden. Denn das Umweltbundesamt empfiehlt das Lüften gegen eine Ansteckung mit dem Coronavirus in Innenräumen. In Schulen könnten die Schüler bald mit Mütze und Handschuhen unterrichtet werden, und auch in Bars und Restaurants dürfte es bei Rotwein und Pasta frisch werden.

Einziger Ausweg aus diesem Winter-Corona-Dilemma sind Luftfilteranlagen. Mit ihnen können Coronaviren aus der Luft gefangen werden – ganz ohne das lästige Lüften. Vor Corona ziemlich sicher sein und trotzdem im Warmen – in diesen Zeiten ein echter Traum. Was liegt da näher als die schnelle Umrüstung aller öffentlicher Einrichtungen, Läden und Restaurants mit den Wundermaschinen?

Doch das Naheliegende ist komplizierter als gedacht: Zwar hat das Bundeswirtschaftsministerium ein Förderprogramm für Raumluftanlagen aufgelegt. Das soll nächste Woche in Kraft treten, 40 Prozent der Kosten beisteuern und "den Infektionsschutz erhöhen", wie das BMWi auf SPIEGEL-Anfrage schreibt. Doch die löbliche Initiative von Minister Peter Altmaier geht komplett an der Realität vorbei.

Zu umständlich, zu langwierig

Der Ansicht sind jedenfalls Wissenschaftler wie Christian Kähler, die sich seit Jahren mit Aerosolpartikeln und deren Ausbreitung und Vermischung im Raum beschäftigen: "Damit wird kein einziges Leben gerettet", sagt der Physiker vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Universität der Bundeswehr München im Gespräch mit dem SPIEGEL.

Seine Kritik: Das Ministerium fördert nur stationäre Lüftungsanlagen, die umständlich in Wände und Decken eingezogen werden müssen. "Um Genehmigungen für solche Anlagen in öffentlichen Gebäuden zu bekommen, vergehen mindestens zwei Jahre", so Kähler. Deshalb sei das Programm auch bis 2024 befristet. "In diesem und auch im nächsten Winter nützt dieses Förderprogramm niemandem etwas."

Auch Nachrüstungen von bereits verbauten Luftanlagen seien kaum möglich, erklärt der Forscher. Dazu müssten sehr umfangreiche und teure Umbauten an den Anlagen gemacht werden und auch dazu bräuchte man eine Genehmigung, die nicht so schnell zu haben ist.

Einziger Ausweg: Mobile Filteranlagen

Der schnellste Weg, die Räume sicherer zu machen, sind laut Forschern wie Kähler deshalb mobile Raumluftreiniger. Allerdings werden diese nicht von der Regierung gefördert. "Hier wird eindeutig die falsche Branche mit staatlichen Geldern versorgt", sagt Kähler.

Die mobilen Geräte sind einen halben bis zu einem Meter groß und können sofort in jeden beliebigen Raum gestellt werden. Sie saugen die Luft meist von unten an und pusten sie dann durch einen speziellen Filter wieder zurück in den Raum. Vorteil: Es sind keine Umbauarbeiten nötig oder das Aufreißen von Wänden.

Vor der Corona-Pandemie wurden die Anlagen vor allem für die Reinigung der Luft beispielsweise von Pollen genutzt, um Allergiker zu schützen. In Krankenhäusern und Mikrobiologischen Laboren kommen sie mit besonders sensiblen Filtern schon jahrzehntelang zum Einsatz.

Mehrere Studien empfehlen die Luftfilter nun auch gegen Coronaviren. Wissenschaftler der Goethe-Universität in Frankfurt am Main testeten die Geräte in Klassenräumen. Diese hätten die Virenkonzentration in einem Klassenraum innerhalb einer halben Stunde um 90 Prozent gesenkt. Das Risiko einer Ansteckung verringere sich um den Faktor sechs, wenn sich ein Superspreader in einem Raum mit einem Luftreiniger befinde, schreiben die Wissenschaftler. "Der Einsatz von mobilen Geräten ist in der jetzigen Situation sicherlich schneller und einfacher umsetzbar", erklärt Studienautor Joachim Curtius. "Eine hundertprozentige Sicherheit kann es bei Corona allerdings nie geben, aber die Filter reduzieren das Risiko."

Luftreiniger mit Virenfunktion

Bisher waren Raumluftfilter mit einer Virenfunktion selten. Der Grund: Das war vor Corona einfach nicht notwendig. Allergene Pollen sind beispielsweise bedeutend größer als Corona-Luftpartikel. Um diese herauszufiltern, müssen die Geräte Partikel erfassen, die kleiner sind als ein Mikrometer. Dazu braucht es neben den normalen Filtern gegen den groben Schmutz sogenannte HEPA-Filter (für: High Efficiency Particulate Air) der Qualitätsstufe H13 oder H14.

An der Bundeswehr-Universität testete der Physiker Christian Kähler mit seinem Team bereits vor einigen Monaten solche hochsensiblen Geräte. Die Forscher wollten wissen, ob mit Coronaviren belastete Aerosole auch wirklich an den Filtern hängen bleiben und nicht wieder in den Raum gewirbelt werden.

Aerosole sind ständig in unserer Luft. Sie gelangen beispielsweise beim Ausatmen, Niesen und Husten in unsere Umwelt. Coronaviren heften sich an diese Luftpartikel und verbreiten sich so weiter.

In Kählers Studie testeten die Forscher den Raumluftfilter eines Gerätes der Firma Trotec und kamen zum Schluss, dass dieser Aerosolpartikel bis auf eine Größe von 0,1 bis 0,3 Mikrometern sehr zuverlässig abfangen kann. In einem Raum von 80 Quadratmetern Größe – beispielsweise ein mittleres Restaurant oder eine Bar – könne die Konzentration von Aerosolen "innerhalb von kurzer Zeit" auf ein "geringes Maß" verringert werden. Allerdings kosten solche Geräte auch rund 3000 Euro. Auf einige Modelle müssen Käufer laut Auskunft auf deren Websites bereits jetzt wochenlang warten.

Beim Gerätekauf sollte man weniger auf den Preis als auf drei Kriterien achten, erklärt Kähler. Sonst nützten die Anlagen schlicht nichts:

  • Wichtig ist die Größe des Raumes. Grundsätzlich gilt: Das Gerät muss das Sechsfache des Raumvolumens filtern können. Bei einem Raum von 200 Kubikmetern muss eine Anlage gekauft werden, die 1200 Kubikmeter pro Stunde filtern kann.

  • Das Gerät muss einen HEPA-Filter der Klasse H13 oder H14 besitzen.

  • Das Modell sollte möglichst leise sein, sonst besteht die Gefahr, dass es aus Lärmgründen öfter abgeschaltet wird.

Jetzt sind die Länder gefragt

Forscher Curtius hält es für sehr sinnvoll, mehrere kleine Geräte einzusetzen. Das deckt den Raum besser ab, als ein großes Gerät. Außerdem müsse man die Vorfilter regelmäßig reinigen. Den Empfehlungen der Forscher schließt sich auch der Verbraucherzentrale Bundesverband an. Zusätzlich sollte noch darauf geachtet werden, dass die Anlagen nicht mit Ozon arbeiten, weil das die Luft mit gesundheitsschädlichen Stoffen belasten würde. Allerdings seien die Luftfilter nur eine Ergänzung zum Lüften, so der Verband.

Kähler sieht das anders. Raumluftfilter sind für den Wissenschaftler allemal effizienter als das Aufreißen der Fenster. Deshalb kann er auch über die Handreichung des Umweltbundesamtes zum Thema "Lüften in Schulen" nur mit dem Kopf schütteln: "Da fehlt es einfach an strömungsmechanischer Kompetenz."

Lüften sei gleich in doppelter Hinsicht ineffizient: Es werde sehr viel Energie verschwendet. Gleichzeitig würde die Luft nicht ausreichend ausgetauscht. "Selbst das geringe Lüftungsziel des Umweltbundesamtes (drei Luftwechsel pro Stunde) wird in der Praxis nicht erreicht werden", meint Kähler. Aufgrund der Gefährlichkeit des Virus sei die Empfehlung von drei Luftwechseln zu niedrig. "Für einen echten Schutz vor einer indirekten Infektion im Winter sind Raumluftreiniger unentbehrlich", so Kähler. Darüber hinaus plädiert er in Schulen für transparente Schutzwände zwischen Kindern.

Da die Bundesregierung die mobilen Luftfilter nicht fördert, müssen nun die Länder tätig werden: Als erstes Bundesland hat Bayern angekündigt, die Geräte für Schulen anzuschaffen.

Doch auch hier bleiben Restaurants, Hotels oder Bars wieder außen vor. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband fordert zumindest, das Förderprogramm des Bundes auszuweiten. Bei den mobilen Raumfiltern ist der Verband eher zurückhaltend: Man könne nicht einschätzen, ob mobile Raumluftreiniger in der Praxis auch tatsächlich in der Lage sind, die Raumluft zu reinigen, weil durch die Bewegung von Personen die Luftströme stark beeinflusst werden, heißt es.

Icon: Der Spiegel

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