Continental in der NS-Zeit: “Wenn sie tot sind, gibt’s neue”

Conti-Betriebsappell 1942: Reifen für den Sieg
Foto: Continental
Laufen, im Schnee, auf Eis. Laufen, 30, 40 Kilometer am Tag. Laufen, barfuß in zu kleinen oder zu großen Schuhen. Laufen, rund um den Appellplatz, am Galgen vorbei. Laufen, weiterlaufen, um sein Leben laufen. Bis zum Umfallen laufen. Wer hinfiel, den erschoss die SS.
Im KZ Sachsenhausen in Oranienburg gehörte das, was die Nazis "Schuhprüfstrecke" nannten, zu den schlimmsten Schindereien des Lagers. Häftlinge mussten für die deutsche Schuhindustrie Sohlen und Absätze testen; durch Ablaufen.
Der Verschleiß am Material wurde millimetergenau notiert; der Verschleiß an Menschen, ihr Tod, interessierte keinen. Auch nicht den Marktführer für Sohlen und Absätze, den Continental-Konzern aus Hannover und seine Schuhtochter, die Schwelmer Gummiwaren GmbH.
Im Herbst 1940 meldete sich Conti-Ingenieur Karl Stubbendiek bei der KZ-Kommandantur und schickte zehn Paar Gummiabsätze nach Sachsenhausen, die am 26. November eintrafen. Keine vier Wochen später kamen die Ergebnisse zurück: Im Schnitt hatten die Absätze 274 Kilometer gehalten, ein Paar war erst nach 427 Kilometern am Ende. Weitere "Trageversuche werde ich demnächst nach Schneefall und Frost machen lassen, um den Grad der Gleitneigung praktisch feststellen zu können", schrieb ein Geschäftsführer aus Schwelm.