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China und das Corona-Comeback: Warum die Wirtschaft wieder stark wächst

October 20
09:56 2020
Skyline von Shanghai: "Die Zahlen sehen solide aus" Icon: vergrößern

Skyline von Shanghai: "Die Zahlen sehen solide aus"

Foto: JOHANNES EISELE/ AFP

Wie glaubhaft sind die Wachstumszahlen, die aus China kommen? Das fragen sich Ökonomen und Sinologen alle drei Monate. Dann gibt die nationale Statistikbehörde neue Quartalsdaten bekannt.

Diesen Montag stellt sich die Frage erst recht.

Mitten in der globalen Coronakrise vermeldet Peking ein Plus der Wirtschaftsleistung von 4,9 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Und, noch viel beeindruckender, eine Steigerung um 0,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch die kumulierten Exporte sollen höher sein als 2019.

Lässt China die Pandemie schon hinter sich? Und zieht die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde ihre Handelspartner wie Deutschland mit nach oben? Oder sind die Zahlen manipuliert?

Zweifel sind angebracht. Denn für unglaubliche Wirtschaftsdaten war Chinas nationale Statistikbehörde immer gut.

Inmitten globaler Finanzkrisen, Terrorwellen oder Kriege verkündeten die Pekinger Bürokraten schon in der Vergangenheit alle drei Monate eine Wachstumszahl, die allenfalls um einen Zehntelprozentpunkt vom Wert des Vorquartals abwich – und der war schon hochprozentig. Eine Zahl, die sich exakt in die Planvorgaben der KP-Führung fügte. Zu wunderbar, um wahr zu sein.

Doch die jüngsten Angaben aus Peking halten Experten für glaubwürdig. "Die Zahlen sehen solide aus", sagt Max J. Zenglein, der Chefökonom des Berliner Mercator-Instituts für Chinastudien (Merics). "Ich bin ziemlich optimistisch, dass China herauskommt aus der Krise. Die Regierung hat sie bislang gut gemeistert – und die wirtschaftlichen Folgen eingedämmt, gerade für die Mittelschicht."

Schon seit Monaten steigt die Industrieproduktion – nicht zuletzt dank staatlicher Stützungsprogramme. Nun aber geht auch der private Konsum nach oben. Erstmals seit Beginn der Pandemie steigen die Einzelhandelsumsätze: Im September kauften die Chinesen laut Statistik 3,3 Prozent mehr ein als vor Jahresfrist.

"Die Regierung hat unter anderem mit Steuersenkungen, Notkrediten und Einkaufsgutscheinen versucht, mittelständische Unternehmen und Privathaushalte zu unterstützen", sagt Zenglein. "Das hat offenbar funktioniert."

Zum von Peking verkündeten Aufschwung passen auch andere Daten, die nicht in den Kommuniqués der Statistikbehörde stehen. So steigt der nationale Stromverbrauch deutlich, ebenso die Zahl der verkauften Autos oder Inlandsflugtickets für die "Goldene Woche" Anfang Oktober, in der dieses Jahr mehr als 600 Millionen Chinesen durch ihr Land reisten. Viele Shopping-Meilen sind Beobachtern zufolge wieder so voll wie vor der Pandemie, in den Metropolen staut sich der Verkehr wieder.

Diesmal ist die Statistik wohl nicht so frisiert wie früher.

China hat die Pandemie als erstes Land erwischt. China kommt nun offensichtlich als erstes heraus aus der Krise.

Das Comeback weckt Erinnerungen an die globale Finanzkrise von 2008/9. Damals päppelte das Regime in Peking mit einem gigantischen Konjunkturprogramm die eigene Volkswirtschaft auf. Bald profitierten auch andere Staaten vom Nachfrageboom aus China – etwa Deutschland.

Chinas Aufschwung rettet deutsche Exporteure

Während der Pandemie hat Asiens Großmacht Frankreich überholt: als zweitgrößter Absatzmarkt für die deutsche Exportindustrie. Von Januar bis August verzeichnet die deutsche Außenhandelsstatistik Ausfuhren im Wert von 60,3 Milliarden Euro nach China. Auf Platz eins sind – noch – die USA mit 65,8 Milliarden Euro. Bei den Importen ist die kommunistische Volksrepublik schon seit Längerem der Toplieferant der Bundesrepublik.

Für Deutschlands Autokonzerne ist sie in diesem Jahr die Rettung. Im zweiten Quartal 2020, als die westlichen Industrieländer in Lockdowns steckten, setzte Volkswagen 53 Prozent all seiner weltweit verkauften Pkw in der Volksrepublik ab. Daimlers China-Anteil betrug 45 Prozent, BMW kam auf 44 Prozent.

"Es ist wie nach der Weltfinanzkrise von 2008/9: China zieht die globale Automobilwirtschaft aus dem Tal heraus", sagt Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Duisburger CAR-Center Automotive Research. "Wenn es in dieser Industrie einen Wachstumstreiber gibt, dann ist es China."

Als der nationale Automarkt zu Beginn der Pandemie einbrach, reagierten Chinas Verantwortliche prompt. Provinz- und Lokalregierungen offerierten Prämien für Neuwagenkäufe. Stadtverwaltungen lockerten die Begrenzungen für Nummernschilder, die sie vorher zur Eindämmung von Verkehrsstaus nur restriktiv ausgegeben hatten. Und die Zentralregierung in Peking verlängerte das Subventionsprogramm für Elektroautos, das eigentlich zum Jahresende auslaufen sollte.

Die Anreize machen sich bezahlt: Seit sechs Monaten in Folge sind die Pkw-Verkäufe höher als im Vorjahr. "Die chinesische Regierung versucht die Wirtschaft systematisch in Gang zu bringen", lobt Dudenhöffer. "Und je stärker das Sozialprodukt steigt, desto mehr Menschen kaufen Autos."

Dudenhöffer zufolge wird die Branche trotz der Krise bis zum Ende 2020 an die 20 Millionen Personenfahrzeuge in der Volksrepublik absetzen – weit mehr als in den USA (rund 16 Millionen) oder in West- und Mitteleuropa (12 Millionen).

Bis 2025 werde der Absatz auf mehr als 25 Millionen Autos wachsen, sagt der Experte voraus. Schließlich besitze noch immer nur ein kleiner Teil der Chinesen ein eigenes motorisiertes Fahrzeug. Dudenhöffer beziffert das jährliche Verkaufspotenzial auf bis zu 50 Millionen Pkw.

Geht der seit Jahrzehnten dauernde China-Boom nun jahrelang weiter? Zenglein zufolge ist das noch längst nicht ausgemacht. Strukturelle Probleme wie die hohe Verschuldung von Unternehmen und Regionen seien ebenso ungelöst wie die Frage, was mit den Wanderarbeitern geschieht, von denen viele ihre Arbeit in der Krise verloren haben. Und kurzfristig könne es gerade bei den Exporten schnell wieder Rückschläge geben – etwa bei neuen Lockdowns in westlichen Abnehmerländern.

Aber immerhin habe sich Chinas Wirtschaft in den vergangenen Monaten stabilisiert, lobt Zenglein. Und das ist schon mal außergewöhnlich, in dieser Pandemie.

Icon: Der Spiegel

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