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Chang’e 5 ist gelandet: China ist die neue Macht auf dem Mond

December 01
19:37 2020
Grafische Darstellung von »Chang'e 5« auf dem Mond: Steine sammeln im Meer der Stürme Icon: vergrößern

Grafische Darstellung von »Chang'e 5« auf dem Mond: Steine sammeln im Meer der Stürme

Foto: CNSA / CLEP

Geboren in Stargard in Mecklenburg, Jobs in Hamburg, dem australischen Bundesstaat New South Wales, London, Lissabon – Carl Rümker war schon im 19. Jahrhundert ein echter Kosmopolit. Und ein Experte für den Kosmos. Unter anderem erstellte der Astronom einen Sternkatalog mit vielen tausend Einträgen. Mehr als 70 Jahre nach seinem Tod wurde dem deutschen Forscher eine hohe Ehre zuteil: Im Jahr 1935 wurde ein Vulkanberg auf dem Mond nach ihm benannt. Er liegt in der Ebene Oceanus Procellarum, dem Meer der Stürme, im Nordwesten der erdzugewandten Seite des Erdtrabanten.

Unweit dieses Mons Rümker ist nun die chinesische Mondsonde »Chang'e 5« gelandet, wie Chinas Staatssender CCTV meldete. Das Besondere an der Mission: Der Forschungsroboter soll im Boden nach Mondgestein bohren und das Material bereits in wenigen Tagen wieder zur Erde zurückbringen. Es wäre das erste Mal seit mehr als 40 Jahren, dass Forscher neue Proben von unserem Nachbarn im All bekommen – und ein weiterer Schritt in Chinas ambitioniertem Mondprogramm, das bereits mit einer Landung auf der erdabgewandten Mondseite und zwei Roboterautos für Schlagzeilen gesorgt hat.

Sollte die aktuelle Mission erfolgreich verlaufen, wäre China das dritte Land nach den USA und der Sowjetunion, dem eine Rückführung von Mondproben zur Erde gelingt. Die Amerikaner brachten mit ihren »Apollo«-Astronauten insgesamt 382 Kilogramm Mondgestein von sechs verschiedenen Landestellen zurück. An den Proben wird bis heute geforscht, nur ein Teil von ihnen wurde bisher überhaupt geöffnet. Drei »Luna«-Robotersonden der Sowjets sammelten weitere 326 Gramm ein. Außerdem stehen der Forschung rund 190 Kilogramm Meteoritenmaterial zur Verfügung, das bei Einschlägen auf dem Mond zur Erde geschleudert wurde.

Die Chinesen wollen nun rund zwei Kilogramm Mondmaterial einsammeln. Dabei soll es sich zum einen um Staub und Geröll von der Oberfläche handeln, zum anderen um mindestens einen Gesteinskern, den man mit einem Wolframcarbid-Bohrkopf aus bis zu zwei Metern Tiefe holen will.

Der Forscher Timothy Glotch von der Stony Brook University im US-Bundesstaat New York kennt die Stelle besonders gut, an der »Chang'e 5« nun aufgesetzt ist. Zusammen mit chinesischen Kollegen hat er einen Fachartikel dazu über Geologie des Gebietes veröffentlicht. »Dies ist ein relativ sicherer und ebener Landeplatz«, erklärt Glotch im Gespräch mit dem SPIEGEL. Das liege daran, dass in dem Gebiet nur vergleichsweise wenige große Gesteinsbrocken zu finden sind. Außerdem gebe es eher wenige Krater. Das wiederum habe damit zu tun, dass die Oberfläche der Region deutlich länger als andere Teile des Mondes durch vulkanische Aktivitäten geprägt war.

Junge Gesteine

Heute erscheint uns der Erdtrabant kalt und tot, einst schwappte dort ein Magma-Ozean, spien über mehrere Milliarden Jahre teils mächtige Vulkane Feuer. Manche Forscher gehen davon aus, dass es in einigen Bereichen noch vor 100 Millionen Jahren vulkanische Aktivität gegeben hat.

Während die bisher auf der Erde untersuchten Mondproben zwischen 3,2 und 4,6 Milliarden Jahre alt sind, könnte es am Mons Rümker auch Material geben, das höchstens zwei Milliarden Jahre alt ist. »Das geringe Alter dieser Gesteine macht sie interessant. Sie gehören zu den jüngsten auf dem ganzen Mond«, erklärt Glotch. Geologen könnten deswegen auf diese Weise etwas über den späten Vulkanismus dort lernen – und darüber, wie der Himmelskörper über die Zeit seine Wärme abgegeben hat. Diese Erkenntnisse ließen sich auch auf andere Felsplaneten im inneren Sonnensystem übertragen, so Glotch.

Die Gesteine sind aber auch auf einer fundamentalen Ebene sehr spannend: Bisher hat die Wissenschaft die Geschichte des Mondes zu einem guten Teil anhand der Einschläge auf seiner Oberfläche beleuchtet. Bereiche mit vielen Kratern sind sehr alt, solche mit weniger Einschlagmarken deutlich jünger. Geeicht wurde diese Chronologie mit chemischen Untersuchungen der Mondproben des »Apollo«- und »Luna«-Materials. Wenn dazu nun die deutlich jüngeren »Chang'e«-Gesteine kommen, sei es gut möglich, dass die Geschichte des Mondes über womöglich Hunderte Millionen von Jahren neu geschrieben werden muss, so Glotch.

Doch dafür müssen die Chinesen die Proben erst mal einsammeln. Ob die Manöver klappen, wird Chinas Raumfahrtbehörde CNSA wohl schon bald vermelden. Zuerst soll gebohrt werden, dann wird das Oberflächenmaterial mit einer Schaufel eingesammelt. Beide Aktionen dürften noch am Dienstag stattfinden. Grund für die Eile ist wohl die Angst der chinesischen Raumfahrtexperten, die mechanischen Teile der Sonde könnten durch die starken Temperaturunterschiede auf dem Mond Schaden nehmen.

Am Donnerstag, so vermuten es Beobachter, soll die Aufstiegstufe von »Chang'e 5« dann wieder von der Oberfläche abheben. In der Mondumlaufbahn werden die Proben dann in eine Rückkehrkapsel umgeladen, die sie zurück zur Erde bringt. Die Landung ist etwa zehn Tage später in den Hochebenen der Inneren Mongolei geplant, einer autonomen Region im Nordosten Chinas.

Westliche Experten finden den Ansatz der Chinesen bemerkenswert. »Diese Mission ist komplizierter, als sie eigentlich sein müsste«, sagt Mark McCaughrean, leitender wissenschaftlicher Berater der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) im Gespräch mit dem SPIEGEL. »Sie hat ziemlich viel mit den ›Apollo‹-Missionen gemein und ist eindeutig als ein weiterer Schritt in Richtung einer Mission mit menschlicher Besatzung ausgelegt.«

Langfristige Ambitionen

Die Europäer unterstützen die chinesische Mondfahrt mit den riesigen Antennen ihres weltweiten Kommunikationsnetzwerks. Sie wollen mit Peking so gut es geht kooperieren. Denn dort hat man auf dem Mond noch viel vor: Neben den USA, die zumindest unter dem scheidenden Präsidenten Donald Trump eine bemannte Mondlandung bis 2024 angestrebt hatten, plant auch China, Menschen zum Mond zu schicken. Und zwar, wie die Amerikaner, nicht nur für einen Kurzausflug.

Angedacht ist eine langfristige Präsenz, auch wenn es dafür bisher noch kein offizielles Datum gibt. »Wir werden bestimmen, wann eine bemannte Mondlandung durchgeführt werden soll, basierend auf den wissenschaftlichen Bedürfnissen und den technischen und wirtschaftlichen Bedingungen«, so Pei Zhaoyu, stellvertretender Direktor des Zentrums für Mondexploration und Weltraumtechnik bei der Nationalen Raumfahrtbehörde Chinas.

Während die Amerikaner wegen eines Kongressbeschlusses nicht direkt mit den Chinesen zusammenarbeiten dürfen, hofft man in Europa auf Kooperationen mit beiden Seiten. Bevor eines Tages Menschen fliegen, werden aber erst noch einige Roboter auf dem Mond landen. Als nächstes Ziel dafür hat man in Peking die Südpolregion des Erdtrabanten ins Auge gefasst. »Niemand ist bis jetzt dort gelandet«, sagt Esa-Mann McCaughrean.

Dieses Areal des Mondes interessiert Wissenschaftler und Raumfahrtmanager gleichermaßen. Dort dürfte es, tief in schattigen Kratern und im Untergrund verborgen, bis heute größere Mengen an Wassereis geben. Diese könnten, in Form von Wasserstoff und Sauerstoff, Raketensprit für weite Reisen ins All liefern – oder Wasser für menschliche Außenposten auf dem Mond.

Icon: Der Spiegel

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