Nachrichten in der Welt


Nachrichten der Welt

Armin Laschet in Ostdeutschland: „Mehr Wessi geht nicht“

August 09
20:17 2020
Armin Laschet auf Tour durch Sachsen-Anhalt: hier im Bauhaus Dessau Icon: vergrößern

Armin Laschet auf Tour durch Sachsen-Anhalt: hier im Bauhaus Dessau

Foto: Sebastian Willnow/ dpa

Vor dem Dom im sachsen-anhaltischen Naumburg stehen zwei Männer mit Sonnenbrillen und schwarzem Anzug und halten die Hände hinter ihre Rücken. Sie sind Sicherheitskräfte. Limousinen fahren vor, einige Fotografen tummeln sich auf dem Platz, die Hitze glüht.

Ein kleiner Mann mit Schäferhund geht auf die Sicherheitskräfte zu. "Wer kommt denn?", fragt er.

"Na, der Laschet", sagt einer der Herren mit Sonnenbrille. Der Passant macht ein verwundertes Gesicht: "Wer?"

"Armin Laschet. Der NRW-Ministerpräsident."

"Ach so. Na dann", sagt der Mann und spaziert offenkundig unbeeindruckt mit seinem Hund davon, als sei weiter nichts gewesen.

Die Naumburger blieben weitestgehend entspannt an diesem heißen Augustsonntag, als der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet bei ihnen zu Besuch war. Zwei Tage tourte dieser an diesem Wochenende mit dem sachsen-anhaltischen Regierungschef Reiner Haseloff durch Sachsen-Anhalt. Am Samstag standen Haseloffs Heimat Wittenberg und das Bauhaus Dessau auf dem Programm. Am Sonntag war dann Naumburg dran, die Partnerstadt von Aachen, die wiederum der Geburtsort von Laschet ist.

Allzu bekannt ist Laschet in Naumburg nicht, was auch der Grund für die Reise sein dürfte. Laschet muss aufholen in Ostdeutschland. Im Dezember will er vom CDU-Parteitag zum Parteivorsitzenden gewählt werden. Es wird ein knappes Rennen erwartet und sein Widersacher Friedrich Merz hat im Osten eine feste Anhängerschaft. Schon bei der Wahl Ende 2018 auf dem Parteitag in Hamburg hatte er die Ostverbände hinter sich. In Sachsen-Anhalt hatte es sogar eine Mitgliederbefragung gegeben, aus der Merz als klarer Sieger hervorging. Zwar ist die Anzahl der Delegierten aus dem Osten vergleichsweise gering, jedoch zeigte das Scheitern von Annegret Kramp-Karrenbauer, dass es eine gute Verbindung in den Osten braucht.

Kann der NRW-Ministerpräsident im Osten punkten?

Laschet und Haseloff gehen durch die Fußgängerzone des 35.000-Einwohnerorts Naumburg. Laschet staunt über die hübschen Häuschen. Gerade sind beide von einem Gottesdienst gekommen. "In der Kirche war ich schon vor 30 Jahren", sagt Laschet. Damals, zur Wiedervereinigung, war Laschet das letzte Mal hier. Die Aachener CDU reiste zur Unterstützung nach Naumburg, wie er erzählt. Auch bei der ersten Volkskammerwahl war er dabei. 1984 war er sogar einmal in der DDR, mit einem Studienfreund in Leipzig.

"Es war nicht alles schlecht", sagt Haseloff und lacht

Diese Geschichte erzählt Laschet heute schätzungsweise 20 Mal, also im Grunde jedem, der ihm über dem Weg läuft. Tatsächlich dürfte das seine einzige Verbindung zu den ostdeutschen Ländern sein. Laschet wohnt nur wenige Kilometer von der belgischen Grenze entfernt, die Länder, die ihm nahe stehen, sind Belgien und Holland. Mit dem Osten hatte er bisher nichts zu tun.

Zumindest mit Haseloff, der eigentlich auch eher dem Merz-Lager angehört, versteht Laschet sich aber offensichtlich gut. Die beiden bildeten schon eine Achse, als es um die Strukturhilfen für den Kohleausstieg ging. Bis 2038 sollen bis zu 40 Milliarden Euro vom Bund in die Kohleregionen fließen, eine gigantische Summe, die politisch erkämpft wurde. Auch in der heißen Phase der Corona-Pandemie hatten Haseloff und Laschet bisweilen eine gemeinsame Linie. Bei einem dieser Gespräche soll die Idee für den Besuch entstanden sein, wie sie sagen.

Laschet hatte sich ausdrücklich gewünscht, dann auch nach Naumburg zu kommen. "Blühende Landschaften" seien hier entstanden, wie es Helmut Kohl versprochen hatte, sagt Laschet nun.

Die Ministerpräsidenten bleiben vor einer Eisdiele stehen. Haseloff hat eine Idee: echtes DDR-Softeis. "Es war nicht alles schlecht", sagt Haseloff und lacht. Hier gebe es die originale Rezeptur. Laschet ist kurz verwundert: "Softeis? Gab's doch bei uns auch." Die Landesregierungschefs haben nun zwei Waffeln mit Schoko-Vanille-Eis in der Hand.

Der Eisverkäufer, der Laschet offenbar vorher auch nicht weiter kannte, hat noch eine Frage: "Herr Laschet, sind Sie eigentlich ein Ossi oder ein Wessi?"

"Mehr Wessi geht nicht", antwortet Laschet und lässt sich den Unterschied zwischen Ost- und Westsofteis erklären. Das Eis, damals vom DDR-Hersteller Komet gemacht, schmeckte überall gleich. Es war mit Wasser und mit Milchpulver hergestellt, nicht nur mit Milch. Zudem wurde im Westen mit einer Maschine Luft in das Softeis gepumpt. "Das ist der entscheidende Unterschied. Bei uns ist richtig was in der Tüte, im Westen viel Luft", sagt der Eisverkäufer.

Von Habeck hängt schon ein Bild in Naumburg

Laschet zeigt sich interessiert, was bei den fragenden Bürgern offenbar ankommt. Einen großen Unterstützer hat er hier auch. Götz Ulrich, CDU-Landrat des Burgenlandkreises, der ebenfalls mit spaziert. Er gilt als das liberale Gewissen der sachsen-anhaltischen CDU und mischt sich immer wieder ein, wenn sich die Rechtsblinker des Landesverbands zu Wort melden.

Führende Kräfte in der sachsen-anhaltischen CDU werben indirekt für ein Bündnis mit der AfD. Ulrich ist vehement dagegen. "Laschet ist der unterstützungswürdige Kandidat für die Wahl im Dezember. Grund ist sein christlich-liberales Verständnis, was auch in seiner Politik in NRW deutlich geworden ist", sagt Ulrich bei dem Besuch.

Am Nachmittag besichtigen Laschet und Haseloff eine moderne Fotoausstellung des Fotografen Jürgen Sieker in der Marienkirche am Dom, sie heißt: "Uta trifft Nina". Die berühmten zwölf Naumburger Stifterfiguren sind zu sehen, sie gehören zu den bedeutendsten Skulpturen des Mittelalters. In der Ausstellung hängen Fotografien von ihnen an der Wand, jeweils daneben hängt ein Foto eines Prominenten. Nina Hagen zum Beispiel, Naomi Campbell oder Katharina Witt.

Laschet bleibt vor einem der Fotos stehen. "Der Habeck hängt ja auch schon hier", sagt Laschet und wirkt etwas bedrückt. Selbst der Grünenchef Robert Habeck aus Schleswig-Holstein hat es im Osten offenbar unter die zwölf Toppromis geschafft, ihn aber kennt hier kaum jemand.

Laschet darf sich am Ende seines Besuchs noch ins Goldene Buch der Stadt eintragen. Er sei in guter Gesellschaft, sagt ihm der Oberbürgermeister. Die meisten seien ja schon hier gewesen.

Icon: Der Spiegel

Neueste Beiträge

0:07 Wird nach Ostern gestreikt?: Lufthansa und Passagiere atmen auf – vorerst

0 comment Read Full Article